Kritik zu House of Gucci
Nach »Alles Geld der Welt« widmet sich Ridley Scott erneut einer wahren Geschichte über einen dysfunktionalen Familienclan und mörderische Absichten, die ihn bedrohen und entlarven. Große (Seifen-)Oper
Manch wahre Geschichte bringt einfach alle Zutaten mit, nach denen sich das Kino die Finger leckt: glamouröse Kostüme, bezaubernde Kulissen, dazu Familiendrama und eine Melange aus Mord, Macht und Geld. Eine ähnliche Reihe von Bestandteilen verarbeitete Ridley Scott bereits mit mäßigem Erfolg in »Alles Geld der Welt«, nun kehrt er mit »House of Gucci« nach Italien zurück und schlägt sich zumindest in Sachen Unterhaltungswert deutlich besser.
Im Zentrum des Films stehen Patrizia Reggiani (Lady Gaga) und Maurizio Gucci (Adam Driver), die sich 1978 in Mailand kennen- und lieben lernen. Da prallen unterschiedliche Welten aufeinander: Sie ist in bescheidenen bürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen, arbeitet als Sekretärin für das LKW-Transportunternehmen ihres Adoptivvaters und kann einen Klimt nicht von einem Picasso unterscheiden, während er als Spross des Gucci-Clans von Reichtum und Luxus umgeben groß wurde und mit einem Jurastudium Abstand zum Familienunternehmen sucht.
Sein Vater Rodolfo (Jeremy Irons) will mit der neuen Schwiegertochter nichts zu tun haben, doch sie selbst ist durchaus darum bemüht, dass die Beziehung zum Haus Gucci nicht abreißt und zumindest Onkel Aldo (Al Pacino) den eigentlich desinteressierten Maurizio ins Unternehmen zurückholt. Patrizias Plan geht auf: Bald sind ihr Mann und sie in die Geschäfte involviert und leben – mal in New York, mal in Italien – in Saus und Braus. Doch irgendwann gilt es, den Rest der Familie auszubooten, dann steht die Steuerpolizei vor der Tür, und die Ehe geht, trotz gemeinsamer Tochter, in die Brüche. Das zu akzeptieren fällt Patrizia allerdings schwer, und so heuert sie gemeinsam mit einer befreundeten Wahrsagerin (Salma Hayek) Auftragskiller an, um Maurizio zu erschießen.
Mit den realen Ereignissen nimmt es »House of Gucci«, von den Jahreszahlen bis hin zum anachronistischen Einsatz der Popsongs, nicht ganz so genau, und auch für Mode oder Guccis Unternehmensgeschichte interessiert sich das Drehbuch von Becky Johnston und Roberto Bentivegna, trotz des Auftauchens von Anna Wintour oder Tom Ford, nur am Rande. Stattdessen ist Seifenoper angesagt – und fast würde man sich wünschen, Scott hätte sich genau auf diesen Aspekt des Films noch mehr eingelassen. Wenn schon keine psychologischen Feinheiten angesagt sind, hätte es gern einfach noch mehr sein dürfen von Emotionen, Kitsch und Glamour. Oder von dem erzählerischen Wagemut, den Scott vor einigen Jahren mit »The Counselor« bewiesen hat.
Auch so lässt sich allerdings festhalten: anders als damals »Alles Geld der Welt« macht »House of Gucci« einfach Spaß. Wenn man etwas übrig hat für Schauspieler*innen, die hemmungslos auf die Tube drücken (neben einer energiegeladenen Gaga vor allem der unter viel Make-up versteckte Jared Leto als Aldos Sohn Paolo), und für visuelle Schauwerte wie Luxusoutfits und prächtige Locations, vergehen die über zweieinhalb Stunden jedenfalls wie im Flug.
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