Interview mit Ridley Scott über seinen Film »Alles Geld der Welt«
Ridley Scott bei den Dreharbeiten zu »Alles Geld der Welt« (2017) © Tobis
epd Film: Mr. Scott, »Alles Geld der Welt« war längst abgedreht, als im Herbst der Skandal um Ihren Darsteller Kevin Spacey losbrach. Wie war damals Ihre erste Reaktion?
Ridley Scott: Zunächst ging es ja los mit Harvey Weinstein. Da staunte ich erst einmal, denn ich hatte schon nicht mehr damit gerechnet, dass Harvey noch mal eingeholt wird von seinem Verhalten. Aber als es kurz darauf um Kevin ging, war mein erster Gedanke: Ach du Scheiße! Denn mir war klar, dass es da nicht um eine mal kurz aufflackernde Aufregung geht, sondern eine Art Säuberung bevorsteht. Dass diese Enthüllungen der Anfang einer großen Veränderung sind, und all der Mist, der von Vielen in dieser Branche über viele Jahre als normales Verhalten etabliert wurde, endlich aufhört.
Berechtigterweise?
Sicher gab es im Fall von Kevin auch einige Vorwürfe, die harmloser waren als andere, denn wenn ein junger Mann Mitte 20 angebaggert wird, dann wird der sich schon zu helfen wissen. Aber ein Teenager? Das ist vollkommen inakzeptabel. Genau wie vieles bei Weinstein. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, aber man kann doch als Produzent Schauspielerinnen nicht in Bars oder Hotelzimmer zum Gespräch bitten. Das darf nicht Normalität sein. Ich jedenfalls habe Meetings in meinem Büro, nirgends sonst.
Welche Konsequenzen befürchteten Sie für Ihren Film?
Ich hatte keinen Zweifel daran, dass wir in diesem Strudel der Ereignisse untergehen würden. Dass niemand mehr Lust haben würde, Werbung für diesen Film zu machen. Doch ich war ziemlich schnell überzeugt davon, dass ich Kevin würde ersetzen können. Ich besprach mich mit meinem Investor und berichtete von meinem Plan. Er wollte nur wissen, ob ich mir sicher sei, dass ich das in der knappen Zeit hinbekomme – und fragte dann, wie viel Geld ich brauche. Alle Beteiligten waren bereit, noch einmal anzutreten, um unsere gemeinsame Arbeit zu retten. Am Ende schafften wir es in neun Drehtagen.
Haben Sie lediglich Spaceys Szenen mit Christopher Plummer nachgedreht oder auch noch komplett Neues?
Das war nicht nötig, der Film war perfekt, wenn ich das mal so selbstbewusst sagen darf. Wir haben nur das Nötigste gedreht, mit den gleichen Kulissen und dem gleichen Skript. Wobei Plummers Präsenz den Film selbstverständlich auf interessante Weise veränderte.
Haben Sie ihm die ursprüngliche Fassung gezeigt?
Nein, das wollte ich auf keinen Fall. Und er auch nicht. Denn er wollte unvoreingenommen sein und sein eigenes Ding machen. Was er dann auch tat.
Was interessierte Sie überhaupt an der Geschichte der Getty-Entführung?
Ich fand J. Paul Getty und die ganze Familie schon in den 60er Jahren spannend. Ich war ja schon in jungen Jahren recht erfolgreich und von Menschen mit viel Geld umgeben. Aber ein Milliardär wie Getty, das war etwas vollkommen Außergewöhnliches. Die Öffentlichkeit kannte Getty eigentlich nur, weil er Geld hatte – und dann, nach der Entführung, war er plötzlich nicht mehr nur berühmt, sondern auch berüchtigt.
Ist er für Sie der Antagonist?
Auf keinen Fall. Mir war das immer viel zu simpel, ihn als kaltherzig abzutun. Sich vor die Presse zu stellen und zu sagen: Ich zahle nicht – das war eine Verhandlungstaktik. Denn natürlich war das eine Botschaft an die Entführer. Auch Regierungen lassen sich nicht auf Erpressungen von Terroristen ein. Da steckt für mich ein sehr nachvollziehbares Kalkül dahinter.
Haben Sie Getty mal getroffen?
Nein, der alte Getty ist mir nie begegnet. Mit seinem Urenkel Balthazar habe ich vor vielen Jahren einen Film gedreht, »White Squall«. Da war er 19 Jahre alt oder so. Später habe ich ihn mal in einem Restaurant getroffen, da hatte er seinen Vater dabei, den er bis zu dessen Tod 2011 pflegte. John Paul Getty III. wurde ja wenige Jahre nach der Entführung zum Pflegefall. Seine Mutter Gail war zeitlebens an seiner Seite.
War sie irgendwie in die Arbeit an »Alles Geld der Welt« eingebunden?
Das nicht, aber sie hat ihn gesehen. Sie ist mittlerweile 82 Jahre alt und ebenso blitzgescheit wie unberechenbar. Auch zweien ihrer Töchter habe ich den Film gezeigt. Er hat sie alle sehr bewegt und aufgewühlt.
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