Kritik zu Good Vibrations
Ein kleiner, großartiger Film über die Musik-Szene in Belfast zur Zeit der Unruhen und vor allem über einen Mann: Terri Hooley, den »Punk-Paten von Belfast«
Terri ist der Mann mit dem kleinen I und dem großen Ego. Mit Zauselfrisur und Vollbart steht er hinter seiner Music-Box und legt Platten auf. Doch die Leute gehen nicht mehr aus, seit in Belfast außer Steinen auch Kugeln durch die Luft fliegen. Es sind die 70er Jahre, und Nordirland wird mehr und mehr zum unbeherrschten Raum. Es sind die »Troubles«, die harmlos klingen, aber fast täglich Menschenleben fordern. Die britische Polizei RUC ist froh, wenn sie nicht für Ruhe sorgen muss, den Kampf auf den Straßen beherrschen die IRA und die verschiedenen protestantischen paramilitärischen Gruppen. Belfast wird das Zentrum eines Krisengebiets. Der Rock´ n´ Roll hingegen hat die Krise noch nie gefürchtet – kaum eine Band, die nicht in Belfast Station macht. Bis die Angst vor Anschlägen das Publikum ausbleiben lässt und große Menschenansammlungen verboten werden, zu der Zeit sitzt Terri Hooley in seinem Plattenladen und verkauft so gut wie nichts mehr.
Das ändert sich, als er für einen rotzfrechen Jungen, der in einer Garagenband spielt, die Buzzcocks bestellen soll. Noch am selben Abend besucht er sein erstes Punk-Konzert. Outcasts heißt die Band, und deren erste Single wird er später ebenso erfolglos herausbringen wie viele andere. Darunter auch »Teenage Kicks« von den Undertones. »Teenage Kicks« erfolglos? Jedenfalls für Terri, der die Rechte für nur 500 Pfund verkaufte, weil er sich nicht den Major-Lables in London unterwerfen wollte, die ihn zuvor wie Dreck behandelt hatten. »Teenage Kicks« wird später zum Welthit.
Terri ist ein Idealist wider Willen. Er kann nicht anders, weil er von seinem kommunistischen Vater weiß, dass man Ideale nicht kaufen, wohl aber verlieren kann. Er opfert sein Haus, seinen Laden und fast auch seine Familie für das, was er als Chance für sein Land sieht: die junge undogmatische Bewegung der Punks. Und wenn er dann, um seinen Laden zu retten, ein Konzert mit lokalen Bands in der Royal Ulster Hall inszeniert, jedoch die große Mehrheit umsonst reinlässt, spätestens dann hat nicht nur der Film seinen dramatischen Höhepunkt erreicht, sondern auch das Mitgefühl für den Mann, der immer noch fusselbärtig am Mikrofon steht und sagt: »New York mag die Frisuren haben und London die Hosen, aber wir in Belfast, wir haben den Grund für Punk.«
Good Vibrations ist einer der wenigen Musikfilme, die sich eine wirkliche Figur vornehmen und dabei so viel Atmosphäre erzeugen wie ein Liebesfilm. Die verbürgte Wahrheit geht in der Inszenierung auf, und aus dem Menschen Terri Hooley wird die bescheidene Ikone des Punk, ein Mann, der etwas ermöglichte, weil er daran glaubte. Zwar versagte Terri Hooley auf ganzer Linie, als es um ihn selbst ging: Sein Laden machte mehrfach pleite und wurde mehr oder minder erfolglos wieder eröffnet. Aber er lebte für die Musik wie nur wenige. Noch vor zwei Jahren wurde er auf der Straße als Katholikenfreund und IRA-Unterstützer beschimpft, als Schande aller Protestanten. Wie gut, dass es ihn noch gibt. Denn der Krieg in Nord-Irland ist nicht vorbei, er ist nur mal kurz eingeschlafen.
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