Hollywoodkino – Made in Eire
Duell - Enemy at the Gates (2001
Die Republik Irland hat sich in den vergangenen zehn Jahren zu einem Dorado für die internationale Filmproduktion entwickelt
Verursacht wurde das durch eine Steuergesetzgebung, die ausländische Investoren mit der günstiger Finanzierung von Großproduktionen anlockt. Einheimische Filmemacher mit schmalem Budget profitieren indes kaum.
Nicht nur den Fans von Der Herr der Ringe dürfte bekannt sein, dass für das fiktive Mittelerde ein reales Neuseeland Pate stand. Weniger bekannt ist, dass in der Eröffnungsszene von Saving Private Ryan (1998, Steven Spielberg) keine Düne in der Normandie gestürmt wird, sondern ein irischer Hügel im County Wicklow, nicht weit vom Drehort von Braveheart (1995, Mel Gibson). Ein paar Kilometer weiter findet man die Produktionsstätten von Duel - Enemy at the Gates (2001, Jean Jacques Annaud, USA/BRD/UK/Irland).
Irland bietet ausländischen Filmemachern gute Bedingungen: Dies lässt sich mit der Politik der irischen Regierung erklären, die möglichst viele, meist amerikanische, aber auch vereinzelt deutsche Investoren zum Nutzen der Kino-Industrie ins Land locken möchte. Noch bis Mitte der neunziger Jahre war Irland als Produktionsstätte weitgehend Entwicklungsland. Aber mit dem wirtschaftlichen Aufschwung begann auch die Filmindustrie zu boomen. Wenig später erreichte das Investitionsvolumen aller Filme, die innerhalb eines Jahres in Irland produziert wurden, knapp ein Drittel des vergleichbaren Volumens der deutschen Filmindustrie, und dies in einem Land mit wenig mehr Einwohnern als Berlin.
Diese Veränderungen stehen in enger Verbindung mit dem Namen Michael D. Higgins und einem Paragraphen der irischen Steuergesetzgebung, der Section 35, später Section 481. 1989 wurde es Anlegern erstmals ermöglicht, Investitionen in irische Filme von der Steuer abzusetzen. Litt das Modell anfangs unter Kinderkrankheiten, so wurde 1993 mit Higgins als irischem Kulturminister der Anspruch auf Section-35-Finanzierung vereinfacht und die Bemessungsgrenzen für die Finanzierung gelockert. In Folge wurden allein zwischen 1994 und 2001 über £ 1,2 Mrd. in gut 240 Filme investiert. Der Anreiz besteht darin, dass die Investition nicht mehr als zu versteuerndes Einkommen bzw. Gewinn verbucht wird. Konnten zunächst noch 100% der Investition abgeschrieben werden, fürchtete der irische Staat mit zunehmendem Erfolg des Modells, dass zu viel Geld am Fiskus vorbeigeführt würde. Seit 1997 sind nur noch 80% der Investition steuerfrei. Private Investoren dürfen jährlich nicht mehr als £ 31.750 in Section 481 investieren. Bei Firmen liegt die Grenze bei £ 10,16 Mio., wobei ein Film nicht mehr als £ 3,81 Mio erhalten darf und der Restbetrag in Produktionen mit Budgets unter £ 5 Mio. fließen muss.
Zauberwort Section 481
Inzwischen bieten irische Banken wie die Allied Irish Banks (AIB) spezielle Section-481-Fonds an. Wichtigstes Kriterium, ob ein Film Section-481-Förderung erhält, ist der "Return of Invest". Dies hat einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die Art von Filmen, die gefördert werden. Prinzipiell können Filme mit einem Budget von unter £ 5 Mio. zwei Drittel ihres Budgets aus Section 481 finanzieren, bei Filmen mit höherem Budget sinkt dieser Anteil auf etwas mehr als die Hälfte, wobei die Höchstförderung £ 10,5 Mio. beträgt. Obwohl Section 481 Filme mit Budgets von £ 5 Mio. gezielt fördert, profitieren diese eher weniger. Gesucht werden Filme mit einem gesicherten Budget und mit guten Aussichten, die Kosten einzuspielen, so dass neben dem Steuervorteil ein zusätzlicher Gewinn herausspringt. Tatsächlich werden die festgesetzten Obergrenzen nur selten erreicht. Irische Filmproduzenten sprechen von gut 10% bis 12% des Budgets, das durch Section 481 gedeckt wird. Dieser niedrige Ausschöpfungsgrad lässt sich durch das Interesse der Investoren erklären, ihre Investition keinem Risiko auszusetzen.
Anders als im französischen SOFICAS- System sind in Section 481 nur Risiko-Investitionen erlaubt. Außer Space Truckers (1997, Stuart Gordon, USA/Irland) mit seinen skandalösen Finanzierungspraktiken hat kein mit Section 481 geförderter Film jemals die Investoren enttäuscht. Banken und Investmentberater investieren nur in einen Film, wenn der Section-481-Anteil schon vorher durch Verkaufsrechte, Verleihgebühren und Ähnliches gesichert ist. Kommt der Film beim Publikum nicht an, erhalten die Section-481-Investoren trotzdem ihr Geld zurück. Neuestes Beispiel für diese Art der Finanzierung ist Rob Bowmans Reign of Fire (2002, USA/Irland). Zwar wird der Film wegen mäßiger Schauspielerleistungen und einem unausgegorenen Drehbuch kritisiert, doch dürfte das den Section-481-Investor wenig kümmern. Seine Investition hat sich schon vor dem Start des Films gelohnt, und so wird Reign of Fire als der (zur Zeit) teuerste Film in die irische Filmgeschichte eingehen (angebliches Budget: $ 95 Mio.).
Außen vor: die kleinen Filme
Anspruchsvolle Filme mit niedrigerem Budget haben es in Irland bedeutend schwerer. Zwar konnten Neil Jordan, Jim Sheridan oder Gerry Stembridge und Thaddeus O'Sullivan alle auf Section 481 zurückgreifen, doch sind besonders kleinere Produktionen nicht so attraktiv für den Section-481-Investor wie z.B. Angela's Ashes (1999, Alan Parker, USA/Irland). John Boormans The General (1998, UK/Irland) profitierte zwar von Section-481-Geldern, die Produktion konnte aber nur durch Rückstellungen von Seiten Boormans finanziert werden. Filmkritiker in Irland bemängeln deswegen, dass selbst kleine, eigenständig irische Produktionen immer mehr auf den internationalen Markt abzielen müssen, um durch Vorverkaufsrechte für Section- 481-Investoren attraktiv zu werden. Gerry Stembridges About Adam (2000, Irland/UK/USA) deutet an, wie diese Ausrichtung zu einem beliebig austauschbaren Produkt des internationalen Mainstream-Kino führen kann.
Andererseits sind Finanzierungsmodelle mittels Abschreibungen für kleine europäische Länder ein erfolgreiches Modell, um stagnierende Filmindustrien anzukurbeln. So finden sich ähnliche Modelle nicht nur in Irland, sondern auch in Luxemburg und Belgien. Nicht immer muss dies zu kommerziell ausgerichteten Filmen führen. Der kürzlich in Deutschland gestartete The Magdalene Sisters (2002, Peter Mullan, UK/Irland) wurde nicht nur von Filmförderungseinrichtungen in Irland, Nordirland und Schottland finanziert, sondern erfreute sich auch einiger Unterstützung durch Section 481. Immerhin werden so Gelder mobilisiert, die sonst nicht für die Produktion von Filmen zur Verfügung stehen würden. Mit sinkenden Steuern und europaweit harmonisierten Höchstsätzen sinkt jedoch die Attraktivität von Modellen wie Section 481. Dennoch werden bis 2005 - denn solange garantiert die irische Regierung für Section 481 - noch viele Filme in Irland gedreht werden, und mancher Ire wird im Pub davon erzählen können, wie er als Statist in einer Großproduktion wie etwa Joel Schumachers Veronica Guerin (2003, USA) mitwirken durfte.
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