Kritik zu Eine ganz ruhige Kugel
Es darf nicht sein, dass sich beim urfranzösischen Pétanque ein Araber als der beste Jäger des »Schweinchens« entpuppt: eine Sport- und Integrationskomödie mit Gérard Depardieu als schlitzohrigem Mentor eines schüchternen Boule-Asses
Sport, so zeigen besonders Hollywood-Filme, ist das ideale Sprungbrett zum gesellschaftlichen Aufstieg, weil, jenseits subjektiver Faktoren wie z. B. Vorurteile, der nachmessbar Beste gewinnt. Zumindest sind Tricksereien leichter aufzudecken als in anderen Berufen. Hier weicht die südfranzösische Komödie über das Boule-Spiel, laut Drehbuchautor und Hauptdarsteller Atmen Kelif »das Basketball der Franzosen«, von den Formeln ab. Denn geschummelt wird auf beiden Seiten; die »Guten« sind fast so skrupellos wie die »Bösen«. Dass die miesen Tricks – etwa das Unterschieben von Rauschgift oder das Zusammenschlagen von Konkurrenten – nicht nur nicht aufgedeckt, sondern kaum je thematisiert werden, verweist die Komödie ins Volkstümliche: Fair Play herrscht in der hehren Theorie, in der Praxis muss jeder schauen, wo er bleibt.
Diese moralische Ambivalenz ist das perfekte Biotop für einen Instinktschauspieler wie Depardieu. Er spielt Jacky, den windigen Mentor des begnadeten Boule-Künstlers Momo, dem Kelif leicht schafsgesichtige Züge verleiht. Dass dem vermeintlich unterbelichteten Eckensteher algerischer Herkunft niemand viel zutraut, ist sein und Jackys Kapital. In improvisierten Boule-Runden legt das Duo seine Mitspieler aufs Kreuz. Doch dann bringt Jacky den schüchternen Momo dazu, sich bei einer Boule-Weltmeisterschaft zu bewerben, mit der das unprätentiöse Altmännervergnügen international vermarktet werden soll. Schon bei der Auswahl wird Momo gemobbt, dank der Fürsprache der Assistentin des Managers aber dennoch ins Team aufgenommen.
Die Handlung ist im Großen vorhersehbar. Im Detail aber entwickeln sich hübsche Pointen, die man nicht kommen sieht. Flink und elegant werden mehrere Problemlagen kurzgeschlossen und auf handfestes Alltagsgerangel heruntergebrochen. Die rassistischen Hänseleien von Momos Mitspielern etwa sind offensichtlich vor allem dazu bestimmt, den Konkurrenten wegzubeißen. Assistentin Caroline dagegen entdeckt in Momo einen seelenverwandten Underdog, wird sie doch als Frau ebenso respektlos behandelt wie er als »Beur«. Der aalglatte Manager Stéphane dagegen betrachtet den Araber, der »das Schweinchen« (die Zielkugel) besser als jeder Biofranzose trifft, als Joker bei seinen Verhandlungen mit dem Sponsor, einem Scheich. Ohne zum Drama aufgeblasen zu werden, kommt nebenbei Momos Vaterproblem zum Tragen. Auch drohende dramatische Klippen in Bezug auf Jackys kriminelle Kontakte werden flugs umschifft.
Der in Algerien geborene Atmen Kelif als reine Seele Momo, der nichts weiter will als spielen, überlässt das Feld dem Star vielleicht etwas zu bereitwillig. Andererseits ist gegen Depardieus raumgreifende Nonchalance, die er in Shorts und T-Shirt, die Bauchkugel vor sich herschiebend, demonstriert, schwer anzukommen. Dass Momos energisches love interest Caroline dieselbe dominante Ausstrahlung wie dessen tüchtige Mutter hat, ist aber nur eine jener Schlitzohrigkeiten, die diese Komödie über die bloße Nettigkeit hinaushebt.
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