Kritik zu Crossing Over
So schwierig es ist, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erlangen, so leicht ist es, ausgewiesen zu werden. Wayne Kramers Film erzählt davon in mehreren sich überlappenden Geschichten
In »L.A. Crash« war es der Rassismus, in Robert Altmans »Short Cuts« die Unfähigkeit zu kommunizieren: Irgendwie scheint sich die »Stadt der Engel« anzubieten als Mikrokosmos für die Probleme Amerikas. Vielleicht auch, weil dort die Filmmetropole beheimatet ist, verstärkt sich an diesem Ort der Wunsch nach der Erfüllung des persönlichen American Dream. In »Crossing Over« ist es das Begehren, Bürger der Vereinigten Staaten zu werden.
Das vereint eine persische Großfamilie mit dem Teenager aus Korea und Flüchtlingen aus anderen fernen Ländern. Manche suchen auch nur Arbeit, wie die junge Mutter, die illegal über die mexikanische Grenze gekommen ist. Und manche träumen einfach von der großen Karriere wie der britische Musiker oder die ehrgeizige australische Jungschauspielerin.
Stück für Stück überlappen sich die einzelnen Erzählstränge, die Figuren erweisen sich als naiv, anpassungsbereit, erpresserisch, verängstigt oder auch als hilfsbereit. Letzteres gilt vor allem für Max Brogan, einen Veteranen des ICE (»Immigrations and Customs Enforcement«), der zu Beginn eine Razzia in einer Textilmanufaktur durchführt. Den Zettel, den ihm eine dabei festgenommene junge Illegale zusteckt, wirft er unter den wachsamen Augen seiner Kollegen, die ihn für sein Mitgefühl verhöhnen, auf den Boden. In der Nacht kommt er jedoch zurück und sucht ihn im Schein einer Taschenlampe. Seine Tätigkeit als Polizist bereitet ihm zunehmend Probleme. Harrison Ford spielt diesen Brogan und verleiht der Figur ein Stück Alterswürde, besonders da, wo er sich nicht als Actionheld beweisen muss, sondern durch seine pure, aufmerksame Präsenz überzeugen kann.
Wo es einen durch und durch guten Menschen gibt, da fehlt auch sein Gegenstück nicht: Cole Frankel ist ebenfalls ein Staatsdiener, allerdings einer, der seine Position für seine eigenen Zwecke ausnutzt. Als Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde verspricht er der jungen australischen Schauspielerin die begehrten Einbürgerungspapiere – gegen regelmäßigen Sex. Hübsch ist, dass die beiden Männer, die Cole schließlich festnehmen, erwähnen, sie seien der Fälschung auf die Spur gekommen, weil sie die Filmografie der Schauspielerin anhand der Internet Movie Database als erfunden entlarvt hätten – so einfach geht das in Zeiten des Internets.
Dass ein solcher Moment mehr im Gedächtnis bleibt als eine durchgängige Anteilnahme an den Charakteren, zeigt allerdings, dass der Film nicht richtig funktioniert – vielleicht, weil jede seiner Figuren für etwas stehen muss. Ihre Zerrissenheit wird dabei nur selten so auf den Punkt gebracht wie in der Figur von Brogans aus dem Iran stammendem Partner Hamid, der einem koreanischen Jungen in einer höchst prekären Situation ins Gewissen redet.
Mit »Crossing Over« bleibt Regisseur und Autor Wayne Kramer hinter dem zurück, was man nach der Charakterstudie »The Cooler – Alles auf Liebe« und dem Adrenalinstoß von »Running Scared« von ihm erwartet hätte.
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