Kritik zu Challengers – Rivalen

© Warner Bros. Pictures

2024
Original-Titel: 
Challengers
Filmstart in Deutschland: 
25.04.2024
L: 
131 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Drei Tennisprofis und ihre Dreierbeziehung: Luca Guadagninos neuer Film zeigt Zendaya, Mike Faist und Josh O'Connor in einem Thriller der Emotionen, der sich als Sportfilm tarnt. Vom Tennis übernimmt er den Rhythmus: Spiel, Satz, Sieg

Bewertung: 4
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 2)

Die Achterbahnfahrt eines Alkoholtrips in »I Am Love« mit Tilda Swinton. Das flirrende Sommergefühl einer ersten Liebe in »Call Me by Your Name«; die Identitätssuche junger Amerikaner in einer Militärbasis in der Fernsehserie »We Are Who We Are«; und zuletzt die Coming-of-Age-Geschichte einer jungen Frau in der Kannibalismus-Romanze »Bones and All«: Immer besonders, immer wieder anders und immer mit vibrierender Wahrhaftigkeit und nur so strotzend vor Sinnlichkeit erzählt der Italiener Luca Guadagnino in seinen Filmen von flirrend fluiden und brüchig durchlässigen Gefühlen.

Nachdem seine Geschichten bisher immer an den aufregenden Rändern der Gesellschaft angesiedelt waren, wo sich solche Figuren verstärkt tummeln, spielt sein neuester Film überraschend im Rampenlicht der Tennisprofis. Und während man sich gerade noch wundert, was Guadagnino daran wohl interessieren könnte, wird klar: »Challengers« ist natürlich kein Sportfilm, sondern ein Beziehungsthriller, der den Prinzipien des Tennis folgt: Aufschlag, Satzball, Matchball, Matchpoint … Zusammen mit Drehbuchautor Justin Kuritzkes und Kameramann Sayombhu Mukdeeprom bricht Guadagnino das monotone Hin und Her des Schlagabtauschs mit Ball und Schlägerstruktur auf faszinierende Weise auf, so dass man als Zuschauer vom distanzierten Beobachter eines Tennismatches zum unmittelbar Beteiligten eines Beziehungsdramas wird.

Es geht um zwei Männer und eine Frau in wechselnden Konstellationen. Einen Hinweis auf die Kräfteverhältnisse liefert das Filmplakat, mit einem im Grunde unmöglichen Bild: Zendayas Gesicht in Großaufnahme, in ihren Sonnenbrillengläsern spiegelt sich der Tennisplatz, im linken Glas der eine Spieler, im rechten der andere. Sie beobachtet die beiden Tennisprofis Art Donaldson (Mike Faist) und Patrick Zweig (Josh O'Connor, der als junger Prinz Charles in der Fernsehserie »The Crown« bekannt wurde), die unter völlig unterschiedlichen Voraussetzungen im Finale eines unbedeutenden Challenger-Turniers aufeinandertreffen.

Während Art als Favorit für die anstehenden US Open gilt und hier nur antritt, um nach einer Verletzungspause neues Selbstbewusstsein zu tanken, schlägt Patrick sich mühsam mit Preisgeldern kleiner Turniere durchs Leben.

Während in der Gegenwart das Duell fortschreitet, springt der Film in Rückblenden durch die vergangenen Jahre, blättert wie in einem Fotoalbum durch wechselnde Konstellationen. Man muss sich konzen­trieren, wird auf anregende Weise herausgefordert, Lücken zu schließen und Chronologien herzustellen, die Teile des Beziehungspuzzles immer wieder neu zusammenzusetzen.

13 Jahre zuvor waren Art und Patrick unzertrennliche Freunde und aufstrebende Tenniswelpen, die im US Junior Open nicht gegeneinander, sondern im Doppel gemeinsam spielen und sich nach dem Sieg innig in die Arme fallen: Das gibt es immer wieder in den Filmen von Luca Guadagnino, diese Momente, in denen heteronormative Beziehungsbilder ausfransen, in denen alles möglich und nichts festgeschrieben ist. 

Art und Patrick schließen einen Pakt fürs Spiel am nächsten Tag, Patrick verspricht, den Freund gut aussehen, also gewinnen zu lassen, doch dann kommt alles anders. Nach ihrem eigenen Match wenden sich die beiden Jungs dem von Tashi Duncan zu, einer vielversprechenden jungen Spielerin, die bereits von Sponsoren umworben wird. Zendaya, die gerade schon in »Dune: Part Two« leuchtete, hat sich drei Monate lang einem so harten Tennistraining unterzogen, dass sie mit flatterndem Röckchen so glaubhaft mitreißend spielen kann, dass man sich zusammen mit den Jungs augenblicklich in sie verliebt. Das Tennisspiel wird dabei zur Metapher für pure Energie und geballten Sex-Appeal. Auch das gibt es immer wieder bei Guadagnino: Szenen, die erotisch aufgeladen sind, ohne dass der Akt selber vollzogen wird, man denke nur an die berühmte Pfirsichszene in »Call Me by Your Name«. Zwischen Liebe und Eifersucht, Loyalität und Rivalität sammeln sich auch in »Challengers« einige Sensationen an.

Zwei Jungs himmeln eine Frau an, die allerdings nie das Objekt, sondern immer das manipulative Subjekt der Begierde ist. Abends im Hotelzimmer schaut Tashi die Jungs herausfordernd an, »komm her«, sagt sie. Wen sie wohl meint, fragen die sich, und stürzen sicherheitshalber beide zu ihr. So steckt sie den Rahmen, in dem die beiden zappeln, und betrachtet voll Genugtuung ihr Werk. Im Gehen verspricht Tashi dem, der am nächsten Tag gewinnen wird, ihre Telefonnummer, womit der Pakt unter Freunden hinfällig ist. Der Beginn von Liebe, Begehren und Leidenschaft markiert das Ende der Freundschaft. Doch jedes Mal, wenn sich der Film ein paar Jahre früher oder später wieder in das Beziehungsdreieck einklinkt, haben sich die Verhältnisse verschoben, erst sind Patrick und Tashi ein Paar, nach einem Unfall muss Tashi ihre Karriere aufgeben, und wird Arts Trainerin, Ehefrau und Mutter seines Kindes, dazu kommen einige Flirts und Affären.

Unverhohlen manipuliert Tashi, spielt die Athleten gegen die Geliebten aus. In ihrer Berechnung büßt sie Sympathiepunkte ein, sie ist faszinierend, aber nicht liebenswert, wie überhaupt im Grunde keine der drei Hauptfiguren wirklich zur Identifikation taugt, weil sich alle früher oder später von niederen Instinkten und alternativen Motiven leiten lassen. 

Dabei inszeniert Guadagnino mit so viel Drive und Raffinesse, mit so viel Sinnlichkeit und feinem Gespür für mitschwingenden Subtext, dass man gar nicht anders kann, als sich verführen und mitreißen zu lassen. Und so wie er die Chronologie der Liebe durcheinanderwirbelt und neu zusammensetzt, reißt er auch die monotone Abfolge von Abschlag und Aufprall im Tennis auf und verwandelt sie in eine bisweilen extrem subjektive und hochdynamische Achterbahnfahrt, zusätzlich befeuert vom treibenden Rhythmus des Soundtracks von Trent Reznor und Atticus Ross.

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