Kritik zu A Bigger Splash
In Luca Guadagninos grandios besetztem Remake von Jacques Derays »Der Swimming Pool« spielt Tilda Swinton einen Rockstar, dessen Erholungsurlaub auf einer italienischen Insel von ihrem Ex gestört wird. Zugleich erweitert Guadagnino den Blick und erzählt mit bösem Witz auch vom Scheitern linker Utopien
David Hockneys 1967 entstandenes Gemälde »A Bigger Splash« setzt auf ironische Weise Kontraste in Szene: einen menschenleeren Bungalow, einen Pool, ein Sprungbrett und große, davor aufsteigende »Spritzer«. Ein Moment, gefroren für die Ewigkeit. Gerade dieses Wechselspiel, in dem die Zeit und das Wirken des Menschen relativ werden, dürfte Luca Guadagnino gereizt haben. Zumindest verbeugt er sich nun mit dem Titel seines freien Remakes von Jacques Derays existenzialistischem Thriller »Der Swimmingpool« vor Hockney. Schon in seinem letzten Spielfilm »Ich bin die Liebe« hatte der italienische Filmemacher auf ähnliche Gegensätze wie einst der britische Maler gesetzt. Ging es dort um die »Reichen«, widmet sich Luca Guadagnino in »A Bigger Splash« nun den »Schönen«, der anderen Hälfte der Jetset-Elite des frühen 21. Jahrhunderts. Marianne (Tilda Swinton) hat als Rockstar einst ganze Stadien gefüllt. Der exaltierte Musikproduzent Harry (Ralph Fiennes) ist einer der Männer hinter ihrem Erfolg, und eine Zeit lang war er auch ihr Liebhaber. Nur konnte diese ungestüme Beziehung offenbar nicht von Dauer sein. Also hat Harry Marianne vor ein paar Jahren einem seiner Freunde, dem Kameramann und Dokumentarfilmer Paul (Matthias Schoenaerts), »überlassen«.
Es war einer jener typischen Schachzüge dieses monströsen Egomanen, in denen Großmut und Zynismus eins werden. Doch jetzt will Harry seine frühere Geliebte zurückgewinnen. Also bricht er gemeinsam mit seiner in den Staaten lebenden Tochter Penelope (Dakota Johnson), von der er erst vor kurzem erfahren hat, in das private Idyll von Marianne und Paul ein, die sich eigentlich auf der italienischen Mittelmeerinsel Pantelleria in der abgelegenen Villa vor der Welt verstecken wollten.
Marianne hat eine schwere Operation an der Kehle hinter sich und darf erst einmal nicht mehr sprechen. Und Paul, der seine Alkoholsucht nur mühsam in den Griff bekommen hat, sehnt sich sowieso nach Ruhe. Aber in Harrys Gegenwart ist das nicht denkbar. Der Mann, der in Herzhöhe auf seiner Brust ein Hammer-und-Sichel-Tattoo hat, erträgt nicht einen Augenblick der Rast oder der Stille. Er muss ständig reden und immer im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Das ist seine Form des »bigger splash«.
Harrys sozialistische Phrasen, sein Pop-Kommunismus, eignen sich nicht einmal mehr als Maß, an dem er und die anderen gemessen werden könnten. Luca Guadagninos Blick auf eine einstmals aufrührerische, aber mittlerweile zu Reichtum gelangte Generation ist zutiefst desillusionierend. Nicht ohne Grund heißt Mariannes letztes Album »Dead Revolution«. Die Revolution ist tot, vielleicht war sie aber auch immer schon nur ein romantischer Traum.
Auf der Insel Pantelleria, die nicht einmal auf halber Strecke zwischen Tunesien und Sizilien liegt, ist die Tragik unserer Zeit allgegenwärtig. Selbst die privilegierten Urlauber können sich ihr nicht entziehen. Bei einer Wanderung durch die zerklüfteten Hügel begegnen Paul und Penelope einer kleinen Gruppe von Flüchtlingen. Für einen Moment steht alles still. Paul und Penelope sind wie versteinert und schweigen. Auch später verlieren sie kein Wort über diese Begegnung, die damit endet, dass die Afrikaner vor ihnen flüchten.
Es ist genau dieses Schweigen, diese Unfähigkeit, auf die Welt und die Menschen zu reagieren, um die sich alles in Luca Guadagninos Remake dreht. Sie findet ihr Echo in Mariannes Schweigen ebenso wie in den inhaltlosen Wortschwallen Harrys. Gerade im Zusammenspiel von Tilda Swinton und Ralph Fiennes erweisen sich die Extreme als Spiegelbilder. Es ist erschreckend und zugleich komisch zu sehen, wie sie sich in die große Leere ihres Lebens fügt, während er verzweifelt gegen sie ankämpft.
Genau in diesen Momenten entwickelt der langsame Erzählrhythmus des Films eine ungeheure Wucht. Guadagnino nimmt sich die Zeit, seinen Protagonisten zuzusehen, ihren Stillstand erfahrbar zu machen und dabei auch kleinste Facetten ihrer Handlungen einzufangen. Natürlich verlieren sich Marianne und Harry in ihrem Egoismus. Aber ihr Scheitern und ihre falschen Entscheidungen schmerzen trotz allem.
Lesen Sie dazu Marion Löhndorfs Porträt des Hauptdarstellers Ralph Fiennes
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