Kritik zu Alles was du willst

© Kairos Filmverleih

Francesco Bruni erzählt von der Annäherung eines jungen Schlingels und eines alten Dichters, der an Alzheimer erkrankt ist. Sein Film beweist, dass die prächtigsten Freundschaften im Kino die unverhofften sind

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Geschichten, wie dieser Film sie erzählt, begeben sich auf heikles Terrain: Es ist vermint mit Vorhersehbarem. Originalität stellt zwar einen willkommenen Mehrwert da, aber zählt noch zur Pflicht. Die Kür hingegen besteht in einer aufrichtigen Liebe zu den Figuren, die diese Geschichte bevölkern. Wie Francesco Bruni sie bewältigt, ist ein sachtes Wunder.

Zu Beginn ist der junge Alessandro (An­drea Carpenzano) ein Tunichtgut, der die Tage mit seinen Freunden im Café und vor der Playstation zubringt. Die römischen Müßiggänger gebärden sich als Machos, deren Weltbild einfach gestrickt ist, homophobe und sexistische Ausfälle eingeschlossen. Als Alessandro nach einer Schlägerei von der Polizei verhaftet wird, ist es Zeit, seinem Leben eine andere Richtung zu geben. Er soll soziale Arbeit leisten – allerdings nicht auf Geheiß der Behörden, sondern auf Drängen seines ratlosen Vaters – und sich als Gesellschafter des 85-jährigen Dichters Giorgio (Giuliano Montaldo) verdingen, der an Alzheimer erkrankt ist. Missmutig begleitet er den alten Mann auf Spaziergängen und liest ihm aus der Sportzeitung vor. Aber allmählich findet er Geschmack an dieser Tätigkeit, die ihn in eine fremde Welt katapultiert. Die Männer nähern sich an; alzheimerbedingte Missverständnisse werden zu Übereinkünften. Als Alessandros Kumpels sich in diese Welt hineindrängen, ahnt man zunächst Schlimmes, aber sie erweisen sich als erfreulicher Zugewinn für die Gemeinschaft.

Es gebricht »Alles was du willst« nicht an Naivität, aber sie ist belastbar. Brunis Drehbuch dosiert die unausweichlichen Elemente dieser erzählerischen Anordnung ein wenig anders als erwartet. Natürlich steht die Möglichkeit des Verrats der Freundschaft (Giorgio ist wohlhabend) im Raum und fordert Alessandros bisheriges Leben Treue ein. Der Wechselrhythmus aus Schüben von Demenz und Geistesgegenwart ist gut geölt. Aber Montaldo buhlt nicht um Sympathie für seine Figur, sondern stellt sie vergnügt her. Ihre Munterkeit ist nicht putzig; Herablassung liegt dem Film fern. Die Weltläufigkeit des Dichters und seine galanten Manieren sind eine Wohltat für jeden, der ihm begegnet. Giorgio zitiert gern aus seinen alten Gedichten. In ihnen klingt ein Einverständnis mit dem Leben an, eine wache Bewunderung für die Art, wie es eingerichtet ist, die in der Gegenwart der Figuren nachhallen. Die Kamera hat keine Scheu vor der Schönheit, die sie beschwören.

Angesichts des Zaubers der Kultur, die ihn verändern könnte, behält Alessandro einen kühlen Kopf. Er hört zu, sammelt Erfahrungen, die seine Wissbegier und Empfindsamkeit schärfen. Auch seine bildungsfernen, übrigens wohlerzogenen Kumpane müssen nicht belehrt werden, sondern dürfen ihre Möglichkeiten entdecken. Zumal als der Trupp zu einer Schatzsuche aufbricht, die in die Kindheit des Dichters zurückführt. Damit erzählt Bruni auch ein Stück Lebensgeschichte seines eigenen Vaters nach. Sentimentalität spart er sich für später auf, bis dahin zieht er es vor, von altersloser Unternehmungslust zu erzählen.

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