Kritik zu Alles über Martin Suter. Außer die Wahrheit
Dokumentarfilm über den Schweizer Bestsellerautor, der hier weniger zu seiner Person als zu seinem Werk befragt wird
Der Titel stammt von Martin Suter selbst, und das offenbart André Schäfer direkt in der ersten Szene. Er gibt die Regie zwar nicht ab, doch lässt er keinen Zweifel daran, dass hier vor allem mit und nur wenig über Martin Suter geredet werden wird. Über den Autor Martin Suter. Denn der Privatmann, Ehemann und Adoptivvater in seiner großartigen Villa in Marrakesch tritt in den Hintergrund. So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich erzählt er von seinem Leben, das vielleicht in seine Bücher eingewandert ist, aber auch das bleibt ein Geheimnis. Jedes seiner Bücher habe ein Geheimnis, sagt Suter, aber er werde sich hüten, das zu lüften. Man soll sie lesen und sich selbst einen Reim darauf machen. Von Biografien hält er nichts. Das seien ja die fiktivsten Bücher, sagt er. Und mehr noch die Autobiografien. Es kommt also nicht darauf an, ob eine Geschichte wahr ist, sondern wie man sie erzählt. Und das lässt einen dann zweimal hinschauen. Er halte nichts davon, wahre Geschichten nachzuerzählen, sagt Suter. Er wolle unterhalten, und dazu brauche es viel mehr eine ausgeprägte Fantasie und eine klare Struktur. Er wisse immer, wie seine Geschichten enden. Nur zwei Mal habe er angefangen, ohne das Ende selbst zu kennen, und beide Bücher seien misslungen und nie erschienen.
Als Suter 1997 mit seinem zweiten Roman »Small World« die literarische Bühne betrat, war er fast 50 Jahre alt, hatte eine erfolgreiche Karriere als Werbetexter hinter sich und war fest entschlossen, Bestsellerautor zu werden, sagt seine Frau, die Mode-Designerin Margrith Nay Suter. So vergrub er den ersten Roman in der Schublade und setzte auf den Erfolg, der auch nicht lange auf sich warten ließ. Tatsächlich ist jene »neurologische Trilogie«, mit den Romanen »Die dunkle Seite des Mondes« und »Ein perfekter Freund«, die alle drei unterschiedliche Formen der Bewusstseinsveränderung beschreiben, einmal durch Alzheimer, einmal durch Drogen und einmal durch eine partielle Amnesie, das Beste, was Suter je geschrieben hat. Viele seiner Bücher sind verfilmt, die meisten nicht so gelungen wie »Small World« unter dem Titel »Je n'ai rien oublié« von 2010 in der Regie von Bruno Chiche mit Alexandra Maria Lara und Gérard Depardieu. Die meisten verlegen sich auf ein simples Nacherzählen der immer spannenden Handlung ohne Tiefe.
André Schäfer entzieht sich dieser Welt vollkommen. Er verzichtet auf Ausschnitte aus den Filmen, lässt stattdessen Andreas Fröhlich Auszüge aus den Romanen vorlesen, die er vorsichtig aber stumm bebildert. Er will den Autor und seine Bücher porträtieren und beiden gleichermaßen gerecht werden. Dazu befragt er auch Suters Verleger, Philipp Keel, einen wohlwollend scharfen Kritiker von Suters Werken, der unverblümt von Trivialliteratur spricht, und den Musiker Stephan Eicher, für den Suter Liedtexte schreibt und den er auf der Mundharmonika begleitet. Man wünscht sich nur, Schäfer hätte etwas besser gewusst, wie sein Film enden soll, um einen wirklichen Spannungsbogen zu schaffen.
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