Kritik zu Rum Diary
Zum dritten Mal wird ein Roman von Hunter S. Thompson verfilmt, zum zweiten Mal mit Johnny Depp, und doch kommt der Geist, der diese Romane so einzigartig macht, auch hier nicht wirklich zum Tragen
Irgendwie ist es merkwürdig mit den Hunter-S.-Thompson-Verfilmungen. Zwei Mal »Fear and Loathing in Las Vegas«, einmal etwas frei unter dem Titel Blast – Wo die Büffel röhren, verwirrend konfus, voller starker Hippie-Gefühle, aber in der Geschichte nicht konsequent, dann dasselbe Buch in der Regie von Terry Gilliam mit Johnny Depp – was der Geschichte auch nicht wirklich näher kam. Und jetzt, wieder mit Johnny Depp, Rum Diary, in der Regie von Bruce Robinson, von dem man seit dem starken Jennifer 8 nicht mehr viel gehört hat. Ein vielversprechender Regisseur und ein Hauptdarsteller, der mit Hunter S. Thompson nicht nur vertraut ist, sondern bis zu dessen Tod im Jahr 2005 mit ihm befreundet war, dazu ein starker Debütroman, der lange als verschollen galt und erst mit der Hilfe von Johnny Depp das Licht der Öffentlichkeit erblickte. Die Voraussetzungen scheinen perfekt, doch ist der Film auf hohem Niveau gescheitert.
Der Kardinalfehler mag darin liegen, dass Robinson die beiden Hauptfiguren Yeamon und Paul Kemp, die bei einer heruntergekommenen Zeitung in Puerto Rico arbeiten, zu einer zusammenführt. Selbst wenn Hunter S. Thompson sich selbst in diese beiden Figuren auflöste, so gibt es für die Trennung doch gute Gründe. Und auch ein Schauspieler wie Johnny Depp hat schwer zu tragen an der Darstellung von Alkoholexzessen bei freischwebendem Journalismus in der Karibik zur Zeit der Kommunistenverfolgung. Die feine Sprache von Thompson erstem Roman zwischen klarer Direktheit und gestalteter Poesie, der journalistische Stil, der nichts mit der Glanzlosigkeit von Tagespressetexten gemein hat, findet sich im Film nicht in Bilder umgesetzt. Im Gegegenteil, das Buch erfährt sozusagen eine Skandalisierung, weil das Nebensächliche, die Normalität und jede Form von nachvollziehbarer Unsicherheit reduziert wurde. Stattdessen gibt es Klischees: verrauchte Kneipen, dunkle, laute Redaktionsräume und jede Menge Rum. Der Film bleibt unentschlossen – nicht wirklich komisch, nicht dreckig genug, um die Bedrängnisse der Figur zu verdeutlichen, aber auch nicht analytisch. Er spiegelt kein Bild der Zeit. Erzählt wird von einem trinkenden Journalisten vor seinem großen Erfolg. Und der wird nur behauptet, nicht schlüssig hergeleitet.
Dennoch muss man Rum Diary vielleicht für den Versuch loben, in die Welt des frühen Hunter S. Thompson einzutauchen und so den Erfinder des Gonzo-Journalismus vorzustellen, eines Schreibens, das noch radikaler als der New Journalism eines Truman Capote subjektiv, mit großem Anteil eigener Erfahrungen, fanatisch und immer wieder auch mit fiktionalen Mitteln an seine Themen heranging. Es ist diese Welt, in die der Film eintaucht und dabei zu einigen sehr überzeugenden Szenen kommt. In den einzelnen Szenen aber geht gleichzeitig die Geschichte auch immer wieder verloren, jedoch nicht radikal genug, als dass man die Zerrissenheit der modernen Welt darin wiederentdecken könnte. Vielleicht sollte man diese besonderen Romane gar nicht mehr oder in jedem Fall ganz anders verfilmen.
Kommentare
Öffentliche Meinung vs veröffentlichter Meinung
Gut, daß der Prozeß live gestreamt wurde. Somit hatte jeder Gelegenheit, sich selbst ein NICHT von achtsam Journalistierenden GEFILTERTES Bild zu machen.
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