Disney+: »Traum Studios«
© Disney+/Pixar
Manche Erinnerungen brauchen eine intensivere Verarbeitung«, erklärt Freude enthusiastisch in der Kommandozentrale. Sie ist, Fans der beiden »Alles steht Kopf«-Animationsfilme wissen das, für den Gefühlshaushalt eines Mädchens namens Riley verantwortlich. Zusammen mit einer ganzen Reihe weiterer figurengewordener Emotionen wie Wut, Angst und Ekel. Manches lässt sich im Alltag leicht bewältigen, für die härten Fälle gibt es die »Traum Studios«. Eine Filmproduktionsfirma, die kleine Traumclips herstellt, eine Art Liveshow, sobald Riley abends einschläft – oder auch mal nachmittags auf der Couch in Omas Decke gekuschelt. Dann kommt Regisseurin Paula Persimmon mit ihrer Crew zum Zug und inszeniert Nacht für Nacht Filme, die Riley das Erlebte verarbeiten lässt und sie ausgeglichen aufwachen lässt. Da wird nichts dem Zufall überlassen.
Nur ein halbes Jahr nach dem Kinostart von »Alles steht Kopf 2« sind wir also wieder mittendrin in Rileys Gefühls- und Gedankenwelt. Die vierteilige Miniserie »Traum Studios« auf Disney+ spinnt pünktlich zur Weihnachtszeit die Geschichte des Mädchens und ihrer Emotionen weiter, zeitlich angesiedelt zwischen den beiden Kinofilmen. Während Riley im ersten Teil (2015) elf Jahre und in der Fortsetzung vergangenen Sommer ein 13-jähriger Teenager war, steht sie in den je rund zwanzig Minuten kurzen Episoden nun gerade noch so kurz vor der Pubertät. Doch Einhörner und Regenbogen reichen nicht mehr, um sich Rileys Bedürfnissen und Emotionen zu stellen. Seit Persimmon vor Jahren mal einen Nerv bei Riley traf und der Film zum Lieblingstraum wurde, gilt sie als Hausregisseurin. Doch immer seltener trifft sie den richtigen Ton, variiert nur altbekannte Muster, statt auf Riley und ihre sich verändernden Bedürfnisse einzugehen. Und dann ist da auch noch der arrogante Neuling Xeni, ein selbst erklärter Indie-Regisseur, der auf ein neues Genre setzt: Tagträume. Als dann eine Produktion sich ungewollt als Alptraum für Riley entpuppt, werden im Traum Studio die Karten neu gemischt. Und Paula muss lernen, auf ihr Publikum zu hören.
Mit Witz, Tempo und smarten Seitenhieben persifliert das Meta-Sequel des Megahits Hollywood als Traumfabrik, inszeniert als Arbeitsplatz-Mockumentary, in der die Figuren immer wieder direkt in die Kamera sprechen. Im Sekundentakt blubbern, purzeln und platzen Sprüche und visuelle Situationskomik ins Bild, passieren im Vorder- und Hintergrund Dinge parallel, so rasant, dass sich nicht jedes Detail, jede Anspielung wahrnehmen lässt. Aber »Traum Studios« ist als kurzweilige Miniserie ohnehin auf wiederholtes Sehen angelegt. Auch die Erwachsenen dürften dabei ihr Vergnügen haben, die Metaebene der Filmproduktion ist klar auf ein Publikum angelegt, das Branchensatire und Insiderwitze versteht. Doch auch für das junge Publikum wird genug geboten, was verspielt und einfallsreich anregt, ohne zu überfordern. Die beiden Kinofilme zu kennen, erhöht sicherlich den Genuss, ist aber nicht zwingend notwendig. Die emotionale Tiefe der Vorgänger erreicht die Serie dabei allerdings nicht, dazu ist das Konzept doch zu sehr mit dem Tohuwabohu drum herum als dem Gefühlskern beschäftigt und sind die Folgen schlicht zu schnell wieder vorbei. Und womöglich ist die heimliche Botschaft der von Mike Jones (Co-Autor der Drehbücher zu »Soul« und »Luca«) geschriebenen und inszenierten Serie ohnehin, den Wunsch zu wecken, die beiden Filme (noch einmal) zu sehen.
Pixar, das Animationsstudio hinter »Alles steht Kopf«, hatte Kinohits wie »Toy Story« und »Incredibles« auch immer wieder Kurzfilme vorangestellt. Die Spin-off-Serie »Traum Studios« ist nun der erste Schritt Richtung Streaming und kommt genau zur richtigen Zeit nach einem weltweiten Kinoeinspiel von knapp 2 Milliarden Dollar für »Alles steht Kopf 2«.
OV-Trailer
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