Disney+: »Luca«
Nachdem man sich zuletzt bei Pixar mit dem Oscargewinner »Soul« so reif, abstrakt und erwachsen wie selten gab, kehrt die Animationsschmiede nun mit »Luca« (der dritten Spielfilmproduktion in nicht einmal anderthalb Jahren) zurück in etwas kindlichere Gefilde. Im Zentrum nämlich steht der junge Luca – kein Kind mehr, aber doch noch nicht wirklich Teenager –, der deutlich spürt, dass das Leben für ihn noch mehr bereithält als das, was er von zu Hause kennt.
Das Ausleben der jugendlichen Neugier wird allerdings dadurch erschwert, dass Luca ein Seemonster ist und tief unter der Meeresoberfläche lebt. Landgänge sind tabu, allerdings nicht, weil sie nicht möglich wären. Im Gegenteil: Einmal an der Luft, nehmen die Wesen aus dem Mittelmeer Menschengestalt an und können sich – mit ein bisschen Übung, was den Umgang mit Gliedmaßen etc. angeht – eigentlich unerkannt unter den Zweibeinern bewegen. Doch jede Berührung mit Wasser verwandelt sie zurück, was deswegen gefährlich ist, weil im Küstenörtchen Portorosso aus Angst und Unwissenheit Jagd auf Seemonster gemacht wird.
Doch Lucas Drang, die faszinierende Welt der Menschen kennenzulernen, ist zu groß, um ihm nicht nachzugeben. Als er sich mit dem etwas älteren Alberto anfreundet, der ebenfalls ein Seemonster, aber an Land schon deutlich erfahrener ist, träumen die beiden gemeinsam von Vespafahrten und »la dolce vita«. Bald nehmen sie all ihren Mut zusammen und wagen sich sogar vor nach Portorosso, wo sie die Bekanntschaft der abenteuerlustigen Giulia machen, die sie mit ihrer Begeisterung für den jährlichen Triathlon (Schwimmen, Pasta essen, Radfahren) ansteckt. Vom Preisgeld könnte man sich womöglich eine echte Vespa leisten. Doch die Konkurrenz ist stark – und wenig seemonsterfreundlich.
Der spannende Reiz einer neuen Freundschaft. Das Versprechen einer Zukunft, die Neues und Großes bereithält. Das Gefühl, seinen Platz noch nicht gefunden zu haben und das eigene Anderssein verstecken zu müssen. Das Ringen mit der eigenen Angst, wenn es gilt, die gewohnte Komfortzone zu verlassen. All diese klassischen Bestandteile einer Coming-of-Age-Geschichte verpackt »Luca« in eine sommerliche Hommage an Urlaubserinnerungen und das italienische Kino der 60er Jahre. Gleichzeitig verneigt sich der Film aber auch vor anderen Animationsklassikern, sowohl »Arielle, die Meerjungfrau« als auch »Ponyo« und insgesamt dem Werk von Miyazaki.
Wo der durchaus verwandte »Onward« darunter litt, dass allzu viel Plot und Hektik kaum Raum zum Durchatmen ließen, kommt »Luca« in seiner Geschichte manchmal fast zu schlicht daher. Und das Ende stellt sich womöglich ein wenig zu abrupt ein. Doch ein Übermaß an – visuellem wie erzählerischem – Charme, eine angenehme Entspanntheit und das sympathische Plädoyer für Akzeptanz räumen solche Einwände spielend aus. So steht »Luca« am Ende vielleicht nicht in der ersten Reihe der Pixar-Meisterwerke, bietet aber doch perfekte Unterhaltung an, nicht nur für die Kleinen.
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