Nahaufnahme von Angela Bassett
Angela Bassett in »Black Panther: Wakanda Forever (2022). © Marvel Studios
In den »Mission: Impossible«- und »Black Panther«-Filmen spielt Angela Bassett ziemlich staatstragende Rollen. Angefangen hat alles ganz anders: mit dem New Black Cinema, einer extrovertierten Performance als Tina Turner und einem vergessenen Cyberpunk-Kultfilm
In »Tina – What's Love Got to Do with It« kommt die Katharsis unvermittelt beim Blick in den Spiegel in Gang. Wieder einmal betrachtet Tina Turner darin ihr blutendes, zerschlagenes Gesicht. Doch plötzlich ist es genug. Erst schleicht sie durch das Hotelzimmer, in dem Ehemann Ike sich auf der Couch von seiner Erschöpfung nach dem Prügeln erholt. Dann geht sie schneller, rennt wie von Furien gehetzt auf die Straße, weg für immer. Die Filmbiografie von 1992 ist zwar eine ärgerlich uninspiriert inszenierte Chronik. Doch wenn Angela Bassett die Lebensstationen der ikonischen Sängerin abhakt, ist ihre Darstellung existenzieller Not auf eine Weise ergreifend, die über Elendsvoyeurismus weit hinausreicht. Brutalität, Prügel und Demütigung werden in diesem Ehedrama eher unterspielt. Und Bassett verkörpert ein Opfer, das sich weigert, in schreiendem Elend zusammenzubrechen, das immer wieder aufsteht und in seinem stillen Durchhalten eine sich steigernde innere Kraft spürbar macht. Tina Turner selbst brachte der Schauspielerin das Tanzen auf der Bühne bei. Doch die Faszination von Bassetts Showperformance – den Gesang übernahm Turner – besteht nicht allein darin, dass sie ihr Vorbild perfekt imitiert. Wenn Bassett etwa im Song »Nutbush City Limits« über die Bühne tobt, wirkt das zugleich wie ein Schwungholen für das Weglaufen vor ihrem Mentor und Peiniger Ike (Bassetts häufiger Leinwandpartner Laurence Fishburne). Umso eindringlicher jener Kippmoment, in dem sie auch jenseits der Show die Zügel loslässt.
Denn gewöhnlich zeichnen sich Angela Bassetts Auftritte durch Kontrolle und Distanz aus. Sie ist eine Meisterin der Kunstpausen und beunruhigenden Blicke, eine, die mit leiser Bestimmtheit spricht und den Eindruck vermittelt, auch sich selbst mit Abstand zu betrachten. Und so ist sie als extrovertierte Musikerin Tina, ein von Ike dressiertes Zirkuspferd, gegen den Strich besetzt und deshalb so überzeugend. Ab »Tina«, ihrer ersten Hauptrolle einer Frau, die ihr Ding durchzieht, schien auch Bassetts Karriere, deren Höhepunkte bis dahin Nebenrollen als Ehefrau von … und Mutter von … waren, nichts mehr im Wege zu stehen.
Sprechen wir also über Pigmentierung. Ihr Aufstieg begann klassisch mit Engagements in der Sitcom »Die Bill Cosby Show« (1985 – 1988), einem Durchlauferhitzer für schwarze Darsteller, bald ergänzt durch Gastauftritte von Promis aller Hautfarben. Die Serie half mit bei der Öffnung der Branche für schwarze Filmschaffende, und Bassett war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ins Kino fand sie u. a. mit einer Minirolle als Stewardess in »Kindergarten Cop« (1990). Beginnend mit John Singletons Regiedebüt, dem furiosen Ghettodrama »Boyz n the Hood« (1991), stieg sie zum Gesicht des New Black Cinema auf. Sie spielte die Mutter des jungen Helden, der es schafft, sich dem kriminellen Sog seiner Clique zu entziehen. Malcom X' Ehefrau Betty Shabazz verkörperte Bassett in Spike Lees Filmbiografie »Malcolm X« (1992) und in Marion Van Peebles' Drama »Panther« (1995) über die Black-Panther-Bewegung. Die leidgeprüfte Matriarchin gab sie außerdem im Fernsehfilm »Die Jacksons – ein amerikanischer Traum« (1992) über die Familie von Michael Jackson und 2009 in der Rapperbiografie »Notorious B. I. G.« von George Tillman Jr.
Der Aufstieg schwarzer Filmemacher führte aber nicht nur zur filmischen Würdigung afroamerikanischer Bürgerrechtler. Auch exklusiv weiße Genres gerieten ins Fahrwasser des New Black Cinema. Es war der Schauspieler und Regisseur Forest Whitaker, der die Marktlücke erkannte. In seiner Romanverfilmung »Warten auf Mr. Right« (1995) ist Bassett u. a. neben Whitney Houston Teil einer Clique gut situierter schwarzer Singlefrauen, die sich, anziehend stylish, durch Beziehungsprobleme wursteln. Dieses Black Chick Flick – in Deutschland so unbemerkt geblieben wie »Stellas Groove«, die zweite Verfilmung eines Romans von Terry McMillan, in der sich Bassett als Karrierefrau einen halb so alten Liebhaber leistet – war in den USA ein unerwarteter Kassenhit. Endlich schwarze Unterhaltungsfilme, die nicht von Rassismus, Sexismus und sozialer Benachteiligung handelten, sondern von der Suche nach dem Glück, mit Happy End und Champagner: Das schien, gekrönt vom unvermeidlichen Kitschvorwurf der Filmkritik, eine weitere Angleichung der Verhältnisse zu verheißen. In dieser Hinsicht machte auch ein fröhlicher Mummenschanz wie Wes Cravens Komödie »Vampire in Brooklyn« (1995), in der Bassett als New Yorker Polizistin vom untoten Eddie Murphy umschwärmt wird, Hoffnung.
Allgegenwärtig, stieg Bassett in den glücklichen Neunzigern als Schauspielerin, die sowohl beim schwarzen wie beim weißen Publikum ankommt, zum ersten weiblichen »Crossover«-Star auf. In »Strange Days« (1995), Kathryn Bigelows innovativem Sci-Fi-Actionthriller, ist sie nicht nur das Love-Interest des weißen Helden (Ralph Fiennes), sondern – auch etwas, das seit Pam Grier fehlte – eine schlagkräftige, coole Amazone. Ihre Beliebtheit erzeugte bei Kulturkritikern, etwa im »New Yorker«, Sorgenfalten: »Wie schwarz ist Angela Bassett?« Ihre Weigerung, das Klischee der zornigen schwarzen Frau, der lauten, sich in Ghetto-Slang verausgabenden bitch zu bedienen, und ihr Talent, selbst lahmsten Muttermärtyrerinnen-Rollen Tiefe und einen Hauch »Grande Dame« zu verleihen, wurde ihr implizit zum Vorwurf gemacht. Doch das New Black Cinema erwies sich nach wenigen Jahren als Scheinblüte.
»Ein schwarzer Mensch«, sagt Bassett in einem Interview, »trägt sein Leben lang einen mentalen Kampf aus. Er muss sich permanent weiterbilden, selbst motivieren und über seinen großen, dunklen Schatten springen. Amerika ist ein großartiges Land, wenn man einen starken Willen hat. Schauen Sie mich an!« Dem Stereotyp entgeht Bassett auch mit ihrem notorisch langweiligen Privatleben. Tochter einer alleinerziehenden Sozialarbeiterin, die ihren Kindern Ehrgeiz predigte, lernte Bassett beim Schauspielstudium auf der Eliteuni Yale ihren späteren Ehemann Courtney B. Vance kennen. Erst Jahre später aber kamen sich beiden bei Dreharbeiten näher und führen seit 1997 eine skandalfreie Ehe, ergänzt von zwei Kindern. Als Schauspielerin, die aufgrund von Geschlecht und Hautfarbe bei Rollenangeboten ohnedies am Katzentisch saß – was heute nicht mehr gilt – ist sie seit jeher zudem notorisch wählerisch. Ihre Strategie, gute, noch unbekannte Regisseure zu finden, die dann berühmt wurden, erwies sich etwa bei Autorenfilmer John Sayles, für den sie in »Passion Fish« (1992) und »Sunshine State« (2002) arbeitete, und John Singleton, aber auch bei Kathryn Bigelow, die mit »Strange Days« den besten unbekannten Kultfilm der Neunziger drehte, als richtig. Trotz wenigen guten Rollenangeboten lehnte sie die Hauptrolle im Drama »Monster's Ball« ab, für das schließlich Halle Berry 2002 als erste afroamerikanische Darstellerin den Hauptrollen-Oscar bekam. Der Part einer alleinerziehenden Mutter, die einen sehr expliziten Geschlechtsakt mit dem Henker ihres Ehemannes vollzieht, bediente, so Bassett im Interview, »das Klischee über schwarze Frauen und Sexualität«.
Die Frage, ob sie, wäre sie weiß, längst für eine starke Charakterrolle einen Oscar bekommen hätte, ist müßig. Doch während sich die Auftrittsmöglichkeiten bei schwarzen Männern längst gebessert haben, sind gute Rollenangebote für schwarze Frauen, selbst gefeierte Aufsteigerinnen wie Viola Davis, Jennifer Hudson, Tessa Thompson oder Lupita Nyong'o, nach wie vor begrenzt, was auch mit einer allgemeinen Verarmung des Genreangebots im Mainstream zu tun haben mag. Den Status, den Whoopi Goldberg, Halle Berry und Angela Bassett einmal hatten, müssen die Newcomerinnen erst noch erreichen.
In Emmy-gekrönten Serien wie »American Horror Story« und »Emergency Room«, als durchtrainierte Actionheldin in der Polizeiserie »9-1-1« fand Bassett ein zweites Standbein. In den letzten Jahren wurde auch sie Teil eines Trends, der zuvor etwa bei Morgan Freeman auffiel: Sie tritt regelmäßig in großen Actionthrillern als Nebenrollen-Respektsperson auf, sei es in den »Olympus Has Fallen«-Filmen, als CIA-Chefin in »Mission: Impossible« oder als afrikanische Königin von Wakanda in Marvel-Filmen. Als imperiale Autorität und im neuen »Black Panther«-Epos als trauernde Königinnenmutter Ramonda füllt die 64-Jährige wie gehabt eine Nische aus, für die sie zu groß ist.
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