11/2014
In diesem Heft
Tipp
am Mi., den 19.11. um 21:50 Uhr, arte - Herausragender portugiesischer Schwarz-Weiß-Film. Nach stimmiger erster Hälfte im tristen Winter Lissabons nimmt Regisseur Gomes den Zuschauer mit auf eine Expedition ins Afrika der Kolonialzeit. Ganz unmerklich hören da die Figuren zu sprechen auf, nur die Erzählstimme bleibt und das Plätschern des Babykrokodils im Wasser
Am 16.11. spricht Ulrich Sonnenschein im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt mit Produzent Philipp Worm über dessen Film "Wir waren Könige"
am Sa. den 8.11., 01:20 Uhr, ARD - Mord auf offener See: brillant inszeniertes Psychospiel über Identität und Verbrechen. Der junge Alain Delon gibt Patricia Highsmiths Tom Ripley als genialen Spieler an der Grenze zum Wahn
»The South is gonna rise again...« - Zwei Polizisten ermitteln in einem rätselhaften Ritualmord, der sie Jahre nicht zur Ruhe kommen lassen wird: Die achtteilige HBO-Serie "True Detective", bei uns nur auf Sky gelaufen, ist auf DVD erschienen
Jonathan Glazers grandioser »Under the Skin«: Scarlett Johansson auf Männerfang
Hinter der Kamera klappt es noch nicht so richtig. Sonst aber schon, wie man an diesen wunderbaren Filmen mit purer Frauenpower sehen kann. Östrogenalarm!
Anhand der Ermittlungen eines Staatsanwalts gegen NS-Täter rekonstruiert Giulio Ricciarelli berührend und aufrichtig die Vorgeschichte des ersten Auschwitzprozesses in Frankfurt am Main
Thema
Alles muss Serie werden. Auf der Suche nach Stoffen schlachten TV-Produzenten zunehmend klassische Spielfilme aus. Auch solche, die sich auf den ersten Blick nicht dafür eignen. So sollen "Fargo" und "From Dusk Till Dawn" den kürzlich auch in Deutschland gestarteten Sender Netflix voranbringen
Ist es die Sonne oder doch ein Studioscheinwerfer, der Siegfried bestrahlt? Gerhard Midding über die Geschichte filmischer Lichtgestaltung
Unsere "Steile These" des Monats November
Vor mehr als zehn Jahren brachte die Dokumentarfilminitiative Nordrhein-Westfalen das Thema Dokfilme für Kinder ins Gespräch. Inzwischen hat sich viel getan – eine vorläufige Bilanz
Mit fünf Filmen in sechs Jahren hat sich der Kanadier Xavier Dolan als origineller Autorenfilmer etabliert - Jetzt kommt sein neuer Film "Mommy" ins Kino - ein fulminantes Drama um eine ungewöhnliche Mutterfigur - Sascha Westphal über das »Projekt Dolan«
Meldung
Krimi-Autor Lawrence Block im Interview mit unserem Autor Frank Arnold über die Verfilmung seines Romans "A Walk Among the Tombstones"
Der Schauspieler Timothy Spall im Interview mit unserem Autor Frank Arnold über »Mr. Turner« und seine Zusammenarbeit mit Mike Leigh
Der Streamingdienst Netflix legt sich in den USA mit den Kinoketten an. Neben einem exklusiven Deal mit Hollywoodstar Adam Sandler hat sich Netflix auch die Rechte an der Fortsetzung zu Ang Lees "Tiger & Dragon" gesichert
Wim Wenders über die Ethik der Bilder und das Engagement des Photographen Sebastião Salgado, den er in seinem neuen Film porträtiert
Franz Dinda, Jahrgang 1983, kann singen, schreiben... Und spielen. Zum Beispiel in "Am Tag als Bobby Ewing starb", "Der Medicus", "Die Wolke", "Im Winter ein Jahr", "Westwind" oder "Die Spiegel-Affäre". Uns beantwortet er in einer kurzen eMail persönliche Fragen rund um das Filmgeschehen
Filmkritik
Ambitionierter Psychothriller: Eine Frau, die an anterograder Amnesie leidet, versucht Licht ins Dunkel ihrer Vergangenheit zu bringen. Nur ist das, was sie dabei zutage fördert, nichts als ein Ausdruck konservativster Moralvorstellungen
Kälter, härter, echter. Gut recherchiert mag es ja sein. Doch die in der Schweiz geborene und in Berlin lebende Regisseurin Petra Volpe sitzt in ihrem Spielfilmdebüt dem Trugschluss auf, Wahrhaftigkeit sei vor allem durch schonungsloses Entfernen von Wärmeströmungen und Hoffnung zu erzielen. Einigen Erfolg bei der Kritik hat ihr das zumindest eingebracht
Von seinem besten Freund, einem ehemaligen Buchhändler, wird ein New Yorker Florist überredet, als Gigolo tätig zu werden. Aus einer eher absurden Prämisse macht »Plötzlich Gigolo« eine melancholische Komödie
Eine authentische Begegnung mit Lateinamerika wollten die drei Filmemacher schaffen. Doch authentisch ist hier nur die unreflektierte Naivität, mit der die Schweizer Jungs ihren Projektionen hinterherlaufen
Ein Vierjähriger entgeht während einer OP nur knapp dem Tod und berichtet später, er sei im Himmel gewesen. Problematisches christliches Erbauungskino, das die angeblich wahre Geschichte wörtlich nimmt, anstatt sie der Fantasie zu überlassen
Die Romantikkomödie »Love, Rosie« über zwei beste Freunde, die sich erst nach Jahren ihre Liebe gestehen, punktet trotz der biederen Geschichte durch eine flotte Inszenierung und die liebreizende Lily Collins
Ein unauffälliger Bürger will Gerechtigkeit für den Tod seines Sohnes und begibt sich auf einen mörderischen Feldzug gegen ein Gangstersyndikat. Sollten die Coen-Brüder jemals einen ihrer Noirs in Norwegen drehen, würde er wahrscheinlich wie Hans Petter Molands lakonische Rachefantasie »Einer nach dem anderen« aussehen
Acht Jahre lang wartet ein Auftragskiller im Dienst einer europäischen Terrorabwehreinheit auf seinen Einsatz und wird darüber fast verrückt. Florian Mischa Böder zerlegt die Mythen des internationalen Auftragskillerkinos in seine Alltagsbestandteile, was in der Idee hübsch, in der Ausführung aber eher angestrengt wirkt
Die Story kommt eher dünn daher: Ein Clan von Neurotikern trifft sich im schottischen Hochland zur Geburtstagsfeier des Opas (Billy Connolly), die folgerichtig zum Chaos gerät. Doch durch den Charme vor allem der Kinderdarsteller und mit anarchisch-makabrem Humor weiß die Komödie »Ein Schotte macht noch keinen Sommer« sehr gut zu unterhalten
Auf den Spuren von Claude Sautet schildert der Romancier und Filmemacher Philippe Claudel eine männliche Sinnkrise, die von der Zerbrechlichkeit, aber auch Robustheit der bürgerlichen Existenz erzählt. Gediegen und hintergründig erzählt, glänzend besetzt
In Rob Reiners romantischer Rentnerkomödie spielt Michael Douglas einen verbitterten Immobilienmakler, dessen harte Schale mithilfe der patenten Nachbarin Lea (Diane Keaton) und einer reizenden Enkeltochter aufgeweicht wird. Keaton und Douglas geben zwar ein durchaus spielstarkes Paar ab, aber darüber hinaus findet der Film keine glaubwürdige komödiantische Tonlage
In seinem zweiten Spielfilm erzählt Matthew Warchus die wahre Geschichte einer ungewöhnlichen Allianz von Schwulenbewegung und Minenarbeitern in den Zeiten von Streik und Aids mit Herz, Witz und einem grandiosen Schauspielerensemble
Dass die Bibel mit Splatter vereinbar ist, hat man ja schon immer geahnt. So deutlich wie in Vincent Lannoos spiritueller Apokalypse hat man das aber noch nicht gesehen
Als heruntergekommener Privatdetektiv macht sich Liam Neeson im New York der Jahrtausendwende in »A Walk among the Tombstones« auf die Suche nach zwei psychopathischen Serienkillern. Angenehm altmodische, aber stellenweise langatmige Film-Noir-Hommage
Der Dokumentarfilm über die Tage, als Edward Snowden der Welt die Überwachungswut der NSA enthüllt, ist ein einzigartiges Zeitzeugnis. Man erlebt, wie Geschichte gemacht wird. Trotzdem bleibt der Film seltsam abstrakt. Nur in kleinen Details blitzt Bedrohliches auf; das große Bild bleibt diffus
Der Film unterstreicht, dass die Familien der Maueropfer nie wieder zu ihrer intakten Familienstruktur zurückfinden, auch nach so vielen Jahren nicht. Wie sollte das auch gelingen angesichts der unschuldigen Opfer, deren sinnloser Tod die Angehörigen bis heute traumatisiert hat?
Ein junger deutscher Nachwuchsfilmer zeigt den Großen, was in diesem Land eben auch noch möglich ist. Knallhartes Horrorgenre mit viel visuellem Verstand und dramaturgischer Tiefe. Farce, Thriller und Drama zugleich ist "Der Samurai" ein vielversprechender DFFB-Abschlussfilm
Nach der Ermordung seines Vaters wird ein Albinojunge in Tansania von einer Bande verfolgt – den Körpern von Albinos werden magische Kräfte zugeschrieben und ihre Körperteile deshalb für hohe Summen verkauft. »White Shadow« ist ein bemerkenswerter Debütfilm, der zwischen Realismus und surreal überhöhten Momenten changiert
Ein Familienurlaub in den französischen Alpen reißt ungeahnte Abgründe auf, als der Vater sich in einer bedrohlichen Situation anders verhält als erwartet. »Höhere Gewalt« ist ein Beziehungsthriller mit großartigen Bildern und beißendem Humor, der manch beunruhigende Frage hinterlässt
Geld oder Leben? Wie in einem Laborversuch macht dieser Sozialthriller der belgischen Dardenne-Brüder eine ethische Entscheidung transparent
Das letzte Vierteljahrhundert im Leben des berühmten englischen Malers William Turner. Kunst und Leben: Mike Leigh ist einer der faszinierendsten Künstlerfilme der letzten Jahre gelungen
Die Reise ins Innere des Ich – »Der Kleine Medicus« ist unterhaltsam und informativ, ohne den Atlas der Anatomie zu sehr überzustrapazieren
Harold und Maude würden erröten in Anbetracht der wilden Liebesbeziehung zwischen dem 18-jährigen Lake und dem 81-jährigen Melvin. Dabei hat Enfant terrible Bruce LaBruce seine Liebesgeschichte »Geron« gegen jede Chance und Tabu beinahe subtil inszeniert: als Melo zwischen Feelgood und Subversion
In der Verfilmung von James Dashners Jugendroman verleiht Regisseur Wes Ball den Motiven eine fesselnde Science-Fiction- Fantasy-Abenteuer-Gestalt, wobei nach den mädchenzentrierten Franchises wie »Tribute von Panem« und »Die Bestimmung« hier wieder Jungs im Fokus stehen
Lou durchstreift mit seiner Videokamera als »freischaffender Journalist« mit Polizeifunk im Ohr das nächtliche Los Angeles jenseits des Glamours. Er filmt Verkehrs- und Raubüberfälle und verkauft die blutigen Bilder ans Frühstücksfernsehen. »Nightcrawler« ist eine erschreckend reale Reflexion über die ethischen Grundsätze medialer Berichterstattung und die eigene Schaulust
Ein Strom von Fotos: die meisten schmerzhaft, andere von großer Schönheit. In ihrem emphatischen Porträt des berühmten Fotografen Sebastião Salgado zeigen Wim Wenders und Juliano Ribeiro Salgado die Menschheit am Rande der Selbstvernichtung. Und einen Schimmer Hoffnung
Längst sollte man Xavier Dolan nicht mehr das Wunderkind aus Québec nennen: Er ist ein blutjunger Meister. Sein neuer Film »Mommy« verstrickt einen hyperaktiven 16-Jährigen, seine Mutter (die großartige Anne Dorval) und ihre Nachbarin in eine übermütige und abgründige Dreiecksgeschichte, die unvorhersehbare Wege geht
Anhand der Ermittlungen eines Staatsanwalts gegen NS-Täter rekonstruiert Giulio Ricciarelli in »Im Labyrinth des Schweigens« berührend und aufrichtig die Vorgeschichte des ersten Auschwitzprozesses in Frankfurt am Main
In ihrer sozialbewussten Mockumentary über eine Vampir-WG spielen die "Flight of the Conchords"-Erfinder Taika Waititi und Jemaine Clement einerseits mit der klassischen Vampir-Mythologie, gewinnen dem auserzählten Format der WG-Sitcom darüber hinaus aber auch ein paar neue, bissige Seiten ab
Vor dem wahren Hintergrund des Ölbooms in Norwegen inszeniert Regisseur Erik Skjoldbjærg einen spannenden Thriller um einen verunglückten Taucher mit internationalen Verwicklungen