Kritik zu Eingeschlossene Gesellschaft
In seinem neuen schulischen Kammerspiel lässt Regisseur Sönke Wortmann sechs, vom Vater eines durchgefallenen Schülers im Lehrerzimmer eingesperrte, Pädagogen nicht nur verbal aufeinander losgehen
Endlich Wochenende! Die sechs noch anwesenden Pädagogen im Lehrerzimmer hängen mental erschöpft in den Seilen, als sie am Freitagnachmittag doch noch von ihrer Nemesis eingeholt werden. Es ist aber kein Schüler, der an ihre Tür klopft, sondern ein gestresster Vater. Er bettelt um die Neubeurteilung seines Sohnes Fabian. Dem fehlt ein Punkt in einer Hausarbeit, um zum Abi zugelassen zu werden. Als ihn die Pauker sarkastisch abwimmeln, fuchtelt er mit einer Pistole und nimmt die sechs in Geiselhaft. Binnen einer Stunde sollen sie in einer improvisierten Konferenz ihr Urteil revidieren.
Wie in der Realität ist Schule auch im deutschen Film ein Dauerbrenner. Sönke Wortmann hat zuvor in »Frau Müller muss weg« schon Eltern aufs Korn genommen, die ihren Kindern auf Biegen und Brechen den Übergang ins Gymnasium sichern wollen. In seinem neuen Kammerspiel zieht er in den »huis clos« eines Lehrerzimmers um, das zum Tollhaus der Eitelkeiten und Vorwürfe, Bloßstellungen und Demütigungen mutiert. Statt Fabians Fall zu diskutieren, gehen die Eingeschlossenen bald aufeinander los, gefolgt von Enthüllungen, die ihren Status als moralische Autorität vollends demontieren. Mit welchem Recht dürfen sich Lehrer überhaupt zu Weichenstellern der Lebenswege ihrer Schüler aufwerfen?
Dies ist keine Komödie über Probleme von Brennpunktschulen, wie es z. B. »Fack Ju Göhte« ansatzweise war, über mangelnde Digitalisierung oder über das System Schule selbst. In seiner Konzentration auf Lehreregos und ihre allzu menschlichen Macken wirkt der auf einem Hörspiel von Jan Weiler basierende Film etwas gestrig, zumal konservative Knochen wie Lateinlehrer Engelhardt und Deutschlehrerin Lohmann, die angesichts der Hip-Hop-Unkultur den Untergang des Abendlandes beschwören, fast ausgestorben sein dürften. Dennoch macht der verbale Schlagabtausch, in denen die Pauker in Dialogen voll geschliffener Bosheit Gift und Galle spucken, viel Spaß. Als Rampensäue fungieren wie im Vorgängerfilm Justus von Dohnányi und Anke Engelke: er als Misanthrop, dem der Weltekel ins Gesicht geschrieben steht und der seine Umwelt mit lateinischen Zitaten abkanzelt; sie als verbitterte Deutschlehrerin, die sich über aufgesexte Schülerinnen echauffiert und nicht nur verbal Temperament beweist. Auch Florian David Fitz als lässig-zynischer Sportlehrer hat Biss. Dann gibt es noch den Kumpeltyp, der sich als Denunziant entpuppt, den nerdigen Chemielehrer, und eine schmollmündige Referendarin als Vertreterin einer neuen, idealistischen Generation. Karikaturen gewiss, doch mit einem Körnchen Wahrheit.
Ärgerlich ist aber nicht nur, dass die jeweiligen Verfehlungen – die von albernen Neurosen bis hin zu Straftatbeständen reichen – auf gleichem Niveau abgehandelt werden. Wie so oft bei Wortmann bleiben Witz und Inspiration auf halbem Weg stecken. Statt der anarchischen Energie der Rasselbande freien Lauf zu lassen, wird ihr explosiver Drive durch einen melancholisch-betulichen Schluss zu Implosion gebracht. Schade.
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