Kritik zu Frau Müller muss weg
Sönke Wortmann hat das erfolgreiche Theaterstück von Lutz Hübner und Sarah Memitz verfilmt, das die sogenannten Helikoptereltern aufs Korn nimmt
In der Klasse 4b steht das wichtige Zwischenzeugnis an. Nur wer gute Zensuren hat, darf aufs Gymnasium. In letzter Zeit haben sich die Noten der Schüler extrem verschlechtert. Dafür ist allein die Klassenlehrerin verantwortlich – so sehen es die besorgten Eltern. Deshalb hat sich eine Delegation zu einem außerplanmäßigen Elternabend zusammengefunden, um Frau Müller zu zwingen, die Klasse abzugeben. Es kommt zum Eklat. Die den Tränen nahe Pädagogin verlässt fluchtartig den Klassenraum, lässt aber seltsamerweise ihr Notenbuch zurück. Als die Eltern neugierig spicken, erleben sie eine faustdicke Überraschung.
Elternalarm in der Grundschule: Der komödiantische Stoff basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Lutz Hübner und Sarah Nemitz, das Sönke Wortmann bereits für das Berliner Grips Theater inszeniert hat. In seiner Adaption für die Leinwand behält Wortmann die bühnenstückartige Struktur bei. Die Demontage der Eltern ist ein Kammerspiel, das die meiste Zeit im Klassenzimmer spielt. Dabei arbeitet der Film sich am Modethema der sogenannten Helikoptereltern ab. Sie wollen für ihre Kinder nur das Beste, umkreisen sie wie Hubschrauber, überwachen sie mit GPS-Trackern und setzen sie schon im Mutterleib unter Leistungsdruck. Am Ende stellt sich jedoch heraus, dass die vermeintlich besorgten Eltern ihre Kinder kaum kennen. Die Schüler fungieren als Avatar, mit dem Eltern ihren Narzissmus ausleben. Die Spleens der Eltern werden nacheinander in einem jeweils theatralischen Seelenstriptease vorgeführt. Für Anke Engelke als Karrierefrau gilt das buchstäblich. Um ihr Blackberry aus dem Schulschwimmbad zu fischen, muss sie sich tatsächlich ausziehen. Neben ihrer kabarettistischen Performance glänzt Justus von Dohnányi als querulatorischer Vater, der mehr Angst vor der Schule hat als seine Tochter. Doch wenn Ken Duken und Mina Tander ihre Ehekrise in der Turnhalle durchkauen, dann sehnt man als Zuschauer den Pausengong herbei. Blass bleibt auch Alwara Höfels als alleinerziehende Mutter des Klassenbesten, und von Gabriela Maria Schmeide als Pädagogin hätte man sich mehr Biss gewünscht.
Frau Müller muss weg ist streckenweise kurzweilig, auch wenn das abgefilmte Theater visuell nicht rasend viel zu bieten hat. Ehrgeizige Übereltern werden – bis zu einem gewissen Grad – treffend charakterisiert. Dass die Doppelstunde einen dennoch kalt lässt, liegt mehr an der Vorlage. Die fünf unterschiedlichen Eltern bleiben am Ende als Karikaturen in Erinnerung. So tut der Film keinem weh, selbst ausgemachte Helikoptereltern dürften sich amüsieren. Was fehlt, ist die Balance zwischen der komödiantischen Demontage und dem Beharren darauf, dass gewisse Ängste und Befürchtungen von Eltern vielleicht doch berechtigt sind. Zwar wird das Ost-West-Gefälle zaghaft angeschnitten. Doch Reizthemen wie eine Lehrerin mit Kopftuch oder Islamunterricht werden ganz ausgespart. Das passt wohl nicht in die Rahmenrichtlinien.
Sönke Wortmann im Gespräch mit Rudolf Worschech:
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