Nahaufnahme von Karoline Herfurth
Karoline Herfurth am Set ihres Films »Wunderschön« (2020). © Warner Bros. Pictures
Bekannt wurde sie als präraffaelitische Schönheit in »Das Parfum«. Dann hat sie ziemlich schnell Zähne gezeigt und sich ein Genre nach dem anderen erobert: Drama, Thriller, Kinderfilm – und besonders gern, auch als Regisseurin, Komödie
Magisch wurde der von Ben Wishaw gespielte Jean-Baptiste Grenouille in ihren Bann gezogen. Er konnte gar nicht anders als ihrem besonderen Duft durch das schmuddlige Gewimmel mittelalterlicher Gassen zu folgen, einem Geruch, in dem sich die prallen Mirabellen, die sie in ihrem Korb unter dem Arm trug, mit dem Parfüm ihrer Erscheinung verband, mit den roten Locken, die sich aus der schmutzigweißen Haube ringelten, und ihrer sommersprossigen Alabsterhaut. Ein flüchtiger, zugleich geerdeter und magischer Auftritt war das, der Karoline Herfurth 2006 auf die internationale Kinolandkarte katapultierte. Nur zehn Minuten brauchte sie, um als Mirabellenmädchen ihr Geheimnis zu entfalten und den Duftschöpfer Grenouille verrückt zu machen, nach der Essenz schöner, junger Frauen, besessen von der Idee, diese Sensation zu binden und abzufüllen, in Tom Tykwers Verfilmung von Patrick Süskinds Roman »Das Parfum«.
Geboren wurde Karoline Herfurth 1984, knapp fünf Jahre vor dem Fall der Mauer, im Ostberliner Prenzlauer Berg. In der großen Patchworkfamilie, in der sie nach der Trennung der Eltern mit sieben Geschwistern aufwuchs, spielte jeder ein Instrument; sie neigte eher dem Tanz und dem Zirkus zu, trat im Kindertheater auf und im Kinderzirkus Cabuwazi. Trotz dieser frühen Showbiz-Erfahrungen ergab sich der Schauspielberuf fast zufällig. Zweimal musste sie entdeckt werden, einmal mit zehn Jahren in den Ferien im Freizeitzentrum FEZ, für die ZDF-Reihe »Achterbahn«, fünf Jahre später auf dem Schulhof von einer Casterin, die ihr eine kleine Rolle als Schülerin in Hans-Christian Schmids Benjamin-Lebert-Verfilmung »Crazy« verschaffte: »Die Kindercasterin kam auf den Schulhof, wo ich zufälligerweise noch rumsaß«, erzählte sie im Gespräch über ihr Regiedebüt »SMS für Dich«: »Wir hatten hitzefrei und ich war eigentlich ein bisschen genervt, weil ich endlich mal in die Pötte kommen und irgendwo hingehen wollte. Im Nachhinein hat sich das natürlich als großes Glück erwiesen.« Dieses Genervtsein, dass es nicht vorangeht, verrät viel über Karoline Herfurth, die immer genau wusste, was sie als nächstes machen wollte. Vermutlich wäre es, so wie bei Jella Haase, auch ohne Schauspielschule ganz gut weitergegangen, doch sie suchte ein handwerkliches Fundament auf der renommierten »Ernst Busch«-Schauspielschule: »Ich habe schon immer sehr gerne gelernt. Und ohne Spracherziehung hätte ich mich wohl auch nicht auf die Bühne getraut. Rainer Kaufmann hat mal zu mir gesagt: Der Baum hat Wurzeln, das ist das Talent, aber der Baum braucht Äste oder Zweige, die sind das Handwerk.«
Und dann konnte man ihr vor der Kamera beim Erwachsenwerden zuschauen, vom Teenager zur jungen Frau in den ersten Lebenskrisen bis zu den Existenzturbulenzen der Mutterschaft in ihrem neuesten eigenen Film »Wunderschön«. Man erlebte sie in den ersten Liebeswirren in »Mädchen, Mädchen« und »Große Mädchen weinen nicht« und als Deutschtürkin Hayat in »Eine andere Liga«, wo sie als Wildfang in kurzen Fußballshorts und T-Shirt über den Fußballrasen kickt und sich ein Krebsdrama mit einer intensiven Liebesgeschichte verbindet. Herfurth ist bekennender Fan von Romantik und Komödie, findet aber auch immer wieder einen Weg, mit luftig unterhaltsamen Geschichten an ernstere Themen anzudocken, wie Krankheit, Verlust und Trauer, häusliche Gewalt oder das Ringen um Gleichberechtigung. So eroberte sie in ihrer zweiten Zusammenarbeit mit Dennis Gansel, »Wir sind die Nacht«, zusammen mit Nina Hoss, Jennifer Ulrich und Anna Fischer die sonst vor allem von Männern bevölkerten Vampirwelten.
In vielen Komödien und einer Reihe von Kinderfilmen hat Karoline Herfurth nicht nur eine fast kindliche Spielfreude bewiesen, sondern auch eine völlig uneitle Furchtlosigkeit, die von ihren Eltern gefördert wurde: »Dass ich keine Angst hatte, Dinge auszuprobieren, hat sicher mit meinem Elternhaus zu tun, aber auch mit der Waldorfschule, auf die ich ging. Wenn man da etwas falsch macht oder nicht den Leistungshorizont erreicht, wird man nicht gleich aussortiert, jedenfalls nicht bis zum Abitur, und das ist bestimmt etwas, das mich frei gemacht hat, Sachen zu erforschen und aus Neugier zu lernen.«
Karoline Herfurth wagt Komik mit vollem Körpereinsatz, auch mal mit sonst eher männer-assoziierten Slapstick-Einlagen, ohne Angst sich lächerlich zu machen – etwa als schusselig-scheue Lehrerin, die in »Fack ju Göhte!« dem Charme von Elyas M'Bareks Aushilfslehrer erliegt. In der auf den Büchern von Andreas Steinhöfel basierenden Filmserie »Rico, Oscar und die Tieferschatten, …die Herzgebreche,… der Diebstahlstein« schafft sie es, als Ricos Mutter auf Augenhöhe mit den Kindern zu spielen, statt zu ihnen herunter zu chargieren. Im zarten Alter von 127 Jahren, 2 Monaten und 22 Tagen ist sie in der Verfilmung von Otfried Preußlers Kinderbuchklassiker »Die kleine Hexe« die jüngste unter den Hexen auf dem Blocksberg, und sie spielt das so entwaffnend, lustvoll sprudelnd, kieksend und jauchzend, hüpfend und tanzend, dass man sie einfach mögen muss. Sie selbst erzählte damals, dass ihr die Nase, die in 2 1/2 Stunden Make-up aufgebaut wurde, geholfen habe, kindlich zu sein, ohne albern zu werden.
Vampirin, Hackerin, Magersüchtige, Hexe, Lehrerin, Wissenschaftlerin, Geheimagentin, Tänzerin: Sie hat viele sehr unterschiedliche Rollen gespielt, auch in Serien wie »You Are Wanted« und »Beat«, und dabei große Wandelbarkeit bewiesen, ohne jemals chamäleonhaft hinter der Rolle zu verschwinden. Herfurth ist vor allem immer sehr authentisch, ganz nahbar und natürlich, als würde sie die unterschiedlichen Gefühlslagen, Temperamente und Gefühle für die Dauer eines Films auf ihre eigene Persönlichkeit projizieren: »Als Schauspielerin wird man ja oft gefragt, was die Rolle mit einem selbst zu tun hat, aber das hat mich nie besonders interessiert. Mit geht es eher darum, die Welt der Figur und ihre Psychologie kennen zu lernen. Natürlich ist da immer ein Eigenanteil dabei, denn man ist ja sozusagen das Medium.«
Seit Ende der Zehnerjahre des 21. Jahrhunderts mischen sich zunehmend ernste, tiefgründigere und auch historische Stoffe in ihre Filmografie. In Roland Suso Richters »Das Wunder von Berlin« durchlebte sie den Fall der Mauer, und in »Berlin '36« verkörperte sie die Hochspringerin Gretel Bergmann, die wegen ihrer jüdischen Herkunft 1936 nicht bei der Olympiade antreten durfte. In Ralf Huettners »Vincent will Meer« spielte sie im Trio von drei flüchtigen Psychiatrie-Patienten eine magersüchtige junge Frau und in Caroline Links »Im Winter ein Jahr« verarbeitete sie in einem nuancenreichen Wechselbad der Gefühle zwischen trotzigem Aufbegehren und tiefer Verletzlichkeit die Trauer um ihren jüngeren Bruder und war ein ebenbürtiger Sparringspartner für das Schauspielschwergewicht Sepp Bierbichler. Internationale Produktionen wie die Verfilmungen von »Das Parfum« und »Der Vorleser«, und einige Jahre später Brian De Palmas erotischer Thriller »Passion« machten auch Hollywood aufmerksam. Eine Weile hatte sie eine Agentur in New York, hat diese Fühler aber schnell wieder zurückgezogen: »Ich bin sehr ausgelastet und fühle mich sehr wohl hier in Deutschland und habe ja das Glück, dass ich verschiedenste Figuren in verschiedensten Genres spielen darf und mir immer wieder neue Herausforderungen geboten werden, auch mit der Regie, dadurch hat es mich nie groß ins Ausland gezogen.«
Auf den 2012 eher zufällig entstandenen Kurzfilm »Mittelkleiner Mensch« folgte 2016 das Regiedebüt »SMS für Dich«. Aus den Erfahrungen, die sie als Darstellerin in romantischen und anderen Komödien gesammelt hat, destillierte sie als Regisseurin, Ko-Autorin und Hauptdarstellerin den Glücksfall einer Komödie, die unterhaltsam ist, ohne seicht zu sein, lustig, ohne albern und dabei auch noch sehr gefühlvoll und ein bisschen traurig. Schlafwandlerisch sicher gelingt ihr in »SMS für Dich«, und drei Jahre später auch in »Sweethearts«, eine sehr weibliche und erwachsene Version der Komödie, in der man mit den gebeutelten Heldinnen lacht und nicht über sie.
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