08/2009

In diesem Heft

Filmkritik

Am Ende eines geheimen Ganges entdeckt die elfjährige Coraline eine spiegelbildliche Ausgabe ihres eigenen Elternhauses, in dem alle viel netter sind als in ihrer Wirklichkeit. Nun soll sie sich entscheiden . . . Henry Selick schafft in seinem neuen Puppentrickfilm eine zugleich fantastische und bedrohliche Welt voller überraschender Einfälle
Quentin Tarantino und die Nazis: Brad Pitt ist der Ober-Basterd in einem »Haut-die-Nazis«-Spiel mit Anleihen bei Italowestern, Nazi-Trash und Kriegsfilm, in dem ausnahmsweise die Guten siegen. Bravourös: Christoph Waltz als SS-Oberst in »Inglourious Basterds«
Bei den Vorbereitungen zu seiner Hochzeit kriegt der deutsche Bräutigam, allein unter Süditalienern, die Krise: eine eher uninspirierte Verfilmung, die trotz markanter Hauptdarsteller mittels platter Konflikthuberei den Witz der literarischen Vorlage verschenkt
Ein Film wie eine Gebrauchsanleitung zur Zusammensetzung multipler Persönlichkeiten. Zugleich eine Liebesgeschichte, die in ihrem ekstatischen Schwindel nebenbei den Konflikt von Moderne und Tradition auslotet
Visuell attraktive, doch etwas formalistisch konzipierte Dokumentation um wartende Flüchtlinge im mauretanischen Nouadhibou
In seinem 17. Film »Zerrissene Umarmungen« spielt Almodóvar virtuos mit der Idee, sein Schlüsselwerk »Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs« sei im Kino durchgefallen
Die frühen Jahre einer (Mode-)Kaiserin: Anne Fontaines Biopic »Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft« zeigt als Studie eines sich formierenden Charakters, wie aus der Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit ein Stil geboren wird
Die Highschool-Freunde Zack und Miri haben Sex vor der Kamera, um ihre Mietschulden begleichen zu können. Kevin Smith krempelt die Liebeskomödie um: »Dirty Talk« statt zärtlichen Geflüsters
Der umstrittene Berlinalesieger von 2008: José Padhilha stellt eine Eliteeinheit der Polizei in den Mittelpunkt dieses intensiven Dramas, in dem Armut, Brutalität und Korruption die brasilianische Gesellschaft zerstören
Marie Reichs Regiedebüt »Summertime Blues« verschreibt sich mit penetrantem Voice-Over ganz der subjektiven Sicht des jugendlichen Helden und zeichnet die Elterngeneration eindimensional als unsensible Knallchargen
Die geplante Scheinhochzeit einer Karrierefrau mit ihrem Assistenten führt zu turbulenten Verwicklungen. Trotz ihrer Vorhersehbarkeit hat die Liebeskomödie »Selbst ist die Braut« ein paar unerwartete Pointen und punktet mit der sturköpfigen Sandra Bullock
Bohdan Slámas Geschichte unerfüllter Neigungen ist erfüllt von subtiler Spannung, zarter Komik und leiser Verzweiflung
Nach einem wilden Junggesellenabschied in Las Vegas müssen drei Freunde den verloren gegangenen Bräutigam wiederfinden. Die Komödie bemüht sich krampfhaft um immer neue Wendungen. Dabei sind die zentralen Charaktere so gut getroffen, dass sie den Film ganz alleine tragen könnten
Der sechste Teil der Buchverfilmung überzeugt durch Ironie, kluge Drehbuchfassung und eine Computertechnik, die dem ganzen Film einen zauberhaften Style gibt
LOL
Den Fans von Sophie Marceau wird dieser Film ein Déjà vu bescheren: Die einstige Rebellin aus »La Boum« kehrt als Mutter wieder. »LOL« belebt das Genre der französischen Teenagerkomödie mit einer flotten Mischung aus Sentimentalität und Abgeklärtheit neu
»Chéri« ist ein Ausstattungsfilm mit souverän agierendem Ensemble (Michelle Pfeiffer, Kathy Bates!) und dunkel funkelnden Wortgefechten – nur leider ohne größere Überraschungen
Die Mischung aus Dokumentar- und Spielszenen in »Fräulein Stinnes fährt um die Welt« beeindruckt als unterhaltsamer Bilderbogen über eine Zeit, als die Bilder und das Auto laufen lernten und wechselseitig die Faszination füreinander entdeckten
Ein harter Gefängnisfilm, mit dem Blick des Künstlers inszeniert. Steve McQueens Kinodebüt »Hunger« über den tödlichen Hungerstreik von Bobby Sands und weiteren IRA-Häftlingen im Jahr 1981 ist zugleich akkurate historische Aufarbeitung und große Filmkunst
Michael Mann erzählt von der Jagd auf den legendären Bankräuber John Dillinger. Formal experimentierfreudig, bis in die kleinsten Rollen hervorragend besetzt und in den Actionszenen atemberaubend, bleibt der Film leider erstaunlich emotionsarm
Vielleicht hatte Zabou Breitman mit ihrer Liebesgeschichte so etwas wie »In the Mood for Love« im Sinn. Mit Daniel Auteuil und Marie-Josée Croze hat sie die richtigen Schauspieler an Bord, nur fehlen ihrer Reise auf den Spuren einer großen Liebe Rhythmus, Charme und ein überzeugendes Erzählkonzept: »Ich habe sie geliebt«
Mit ihren Living Sculptures sind sie berühmt, mit ihren Living Shit Pictures berüchtigt geworden. Der Dokumentarfilm »With Gilbert & George« von Julian Cole folgt dem skurrilsten Herrenpaar der Kunstgeschichte. Eine unterhaltsame Reise ins Herz der Avantgarde, very british indeed
Frei nach den »Wahlverwandtschaften« treibt Sebastian Schipper ein Paar durch die Untiefen emotionaler Verwirrung. Mit Blick auf die Irritation, die vom Menschen selbst ausgeht, inszeniert er ein Open-Air-Kammerspiel um banale Konflikte, die nur deshalb ausgehalten werden, weil sie nicht zu ändern sind

Film

LOL