Kritik zu LOL
Der bislang erfolgreichste französische Film des Jahres entwickelte sich dort zu einem generationenübergreifenden Phänomen: Ohne verlogen zu sein, zeigt diese Komödie Teenager und ihre Eltern so, wie sie sich gern im Kino repräsentiert sehen möchten
Erinnert sich noch jemand an Claude Pinoteau? Es wäre ihm zu wünschen. Als Autor und Regisseur war er das, was französische Kritiker gern einen »petit maitre« nennen, einen kleinen Meister. Neben einigen beachtlichen Thrillern mit Lino Ventura hat er zwei, drei der sensibelsten Komödien über das Heranwachsen gedreht: »Die Ohrfeige«, mit dem Isabelle Adjani 1974 bekannt wurde, und 1980 den ersten »La Boum – Die Fete«, der Sophie Marceau zum Star machte. In beiden Genres geht es bei ihm stets um Verlust und Rückgewinnung von Vertrauen und die Not, sich in einer neuen Rolle zurechtzufinden.
»LOL« ist ein willkommener Anlass, sich seiner zu erinnern, denn der Film greift explizit sein Erfolgsmodell auf. Auch in »LOL« geht es um die Liebes- und familiären Sorgen eines aufgeweckten Mädchens, dessen Eltern getrennt leben, und die mit einer lebenslustigen Großmutter gesegnet ist. Auch hier erweisen sich die bürgerlichen Familienverhältnisse trotz aller Komplikationen als unverwüstlich und wird eine Klassenfahrt nach England zur Verheißung, dass es endlich passiert. Und auch hier wird der Konflikt zwischen Freundschaft und Verliebtheit mit leichter Hand bewältigt. Auch die einstige Rebellin Sophie Marceau spielt wieder mit, wenngleich diesmal in der Mutterrolle. Wirklich erwachsen will sie noch immer so recht nicht erscheinen, was aber weiter kein Problem ist.
Viel hat sich seit Pinoteaus Tagen geändert. Die Schulklassen sind multikultureller und die Kommunikationsmittel flinker geworden. »LOL« ist ein Akronym aus der SMS-Sprache, das für »Laughing out loud« steht, und zugleich der Kosename von Lola (Christa Theret), der temperamentvollen Erzählerin und Hauptfigur dieses Films – dessen Charme es ohnehin ausmacht, immer gleich mehrere Dinge auf einmal zu sein. Flott führt die comédie dramatique die Liebesabenteuer eines ausgreifenden Figurenensembles parallel zueinander, wobei die Regisseurin Lisa Azuelos ihre Aufmerksamkeit großzügig, wenn auch nicht streng proporzhaft auf Lolas Altersgenossen und die Elterngeneration verteilt. Die Ahnungslosigkeit und Doppelmoral der Eltern ist zwar eine bevorzugte Quelle der Komik, aber eigentlich möchte der Film nicht über, sondern mit jeder Figur lachen.
Im Zentrum steht die rücksichtsvoll zögerliche Liebesgeschichte Lolas mit Mael (Jérémy Kapone), dem besten Kumpel ihres Ex- (oder Noch-, das ist allen Beteiligten lange Zeit nicht ganz klar) Freundes sowie das spannungsvolle Verhältnis zu ihrer Mutter, die sich ihrerseits trotz laufender Scheidung noch nicht ganz von ihrem Ehemann trennen kann und zunächst eher widerspenstig auf die Annäherungsversuche eines sympathischen Drogenfahnders reagiert. Die Mutter-Tochter-Beziehung ist überaus eng, erfüllt sich auch in großer physischer Nähe: Sie verabreden sich per SMS zum abendlichen Kuscheln und baden zusammen, wobei die Mutter erschrocken feststellen muss, dass die 16-Jährige sich ihre Schamhaare rasiert hat. Als sie ihre Tochter in einem Moment der Überforderung ohrfeigt, inszeniert Azuelos ihren Streit wie die Trennung eines Liebespaares. Aber keine Sorge: Schon bei Pinoteau sollte die Ohrfeige nicht das letzte Wort haben.
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