12/2018

In diesem Heft

Tipp

Konrad Wolf war neben Frank Beyer der bedeutendste Filmemacher der DDR. Nun sind erstmals alle seine Spielfilme, die er zwischen 1955 und 1980 gedreht hat, in einer Box erschienen
Im Episodenfilm »The Ballad of Buster Scruggs« spielen die Coen-Brüder verschiedene Tonarten des Westerns durch: von der Groteske bis zur Romanze
21. bis 24. Dezember, Berlin – Passend zur besinnlichen Jahreszeit tritt die dritte Ausgabe des ersten europäischen Festivals mit dem Thema »Weihnacht« auf den Plan. Das Kino Moviemento in Berlin lädt ein zum gemeinsamen Genuss nationaler und internationaler kurzer und langer Filme, die sich mit dem Fest der Liebe befassen. Trotz dem sehr speziellen Sujet meldete das Festival dieses Jahr 1553 Einreichungen.
21. Dezember – Am kürzesten Tag des Jahres wird die kürzeste filmische Gattung zelebriert. Seit 2012 koordiniert die AG Kurzfilm in Deutschland verschiedenste Veranstaltungen in der Republik, die in Eigenregie von Filmfans oder öffentlichen Einrichtungen ins Leben gerufen werden können. Es stehen komplette Filmprogramme bereit, oder man kuratiert eine eigene Auswahl. Auch im Fernsehen und im Internet beteiligen sich Medien am Kurzfilmtag, den es mittlerweile in über 20 Ländern gibt.
15. Dezember, Sevilla – Der Europäische Filmpreis wird in diesem Jahr im andalusischen Sevilla vergeben. Für den Preis sind 49 Spielfilme nominiert, dar– unter »3 Tage in Quiberon«, »Dogman«, »Styx«, »Der Hauptmann«, »Touch Me Not« und »Transit». Darüber hinaus sind je 15 Dokumentar- und Kurzfilme nominiert. Der Publikumspreis könnte an Filme wie »Call Me by Your Name«, »Dunkirk« oder »Valerian« gehen. Zwei Preisträger stehen fest: Die spanische Schauspielerin Carmen Maura erhält einen Preis für ihr Lebenswerk, die beste Leistung im Weltkino gestand die Europäische Filmakademie dem Briten Ralph Fiennes zu.
30. November bis 8. Dezember, Marrakesch – Das sehr internationale Festival wurde 2001 vom marokkanischen König ins Leben gerufen, um die Filmindustrie seines Landes zu stärken und ausländische Prominenz ins Land zu holen. Dieses Jahr übernimmt der ehemalige Chef des Berlinale- Forum-Programms Christoph Terhechte erstmals die künstlerische Leitung. Aufgeführt werden neben Filmen aus der arabischen Welt europäische, amerikanische und ostasiatische Produktionen, auch open-air in der Altstadt. Hommagen sind dem russischen Kino, Paul Verhoeven und Isabelle Adjani gewidmet.
5. bis 9. Dezember, Stuttgart – Die Filmschau Baden-Württemberg will das gesamte Filmschaffen im Ländle vorstellen und prämieren. Neben Kino- und Fernsehproduktionen werden in Stuttgart Werbefilme, Werke von Kindern, Jugendlichen und Amateurfilmern sowie das Schaffen der Hochschulen gezeigt. Dabei wird eine große Zahl von Preisen vergeben in Bereichen wie »Entwicklungspolitischer Film« oder mit Regionalbezug: »Stuttgart – Autostadt«
Die Cinémathèque Francaise ­feiert Sergio Leone aus Anlass des 50. Jubiläums seines Klassikers »Spiel mir das Lied vom Tod«
am So., 16.12. in Frankfurt am Main – epd-Film-Autor Ulrich Sonnenschein spricht mit Eva Trobisch über ihren Film »Alles ist gut«
Aufwendig und gut besetzt. Aber nicht so »klaustrophobisch« wie das Original. Die Neuverfilmung von Wolfgang Petersens Kino- und Fernsehklassiker »Das Boot« versucht, es allen recht zu machen
In seinem Cannes-Gewinnerfilm zeichnet Kore-­eda das sensible Porträt einer eigentümlichen Familie von Dieben und Betrügern. Sein stiller Film ist gleichermaßen das Por­trät japanischer Rezessionsverlierer und eine Reflexion über die Definition von »Familie«
Orson Welles letzter, postum fertig gestellter Film »The Other Side of the Wind« ist nun, vier Jahrzehnte nach Ende der Dreharbeiten, auf Netflix zu sehen. Dazu läuft eine Dokumentation, die eine Gebrauchsanleitung zu seinem geheimnisumwobenen filmischen Testament liefert

Thema

Mary Poppins ist perfekt – aber eher eine Ausnahme in dieser Kino-Weihnachtssaison. Der klassische Familienfilm steckt in der Krise: Fantasy-Epen und Superhelden-Action haben ihn aufgefressen. Eine Erinnerung an märchenhaftere Zeiten
»Widows« ist ein Thriller um einen Raub, ein lupenreiner Genrefilm. Für Steve McQueen eine Volte. Der Brite, der als Künstler bekannt wurde und »12 Years a Slave« auf Oscarkurs brachte, gilt eigentlich als Hardcore-Autorenfilmer
Unsere "steile These" des Monats Dezember
Seine Karriere war die eines männlichen Bikini-Models – bis er in »Game of Thrones« als Khal Drogo auftrat. Körperbetonte Rollen sind jedoch weiter sein Ding, wie die Titelrolle des »Aquaman« im neuen Film aus dem DC-Universum zeigen wird

Meldung

Bei den 60. Nordischen Filmtagen in Lübeck siegte der isländische Beitrag »Gegen den Strom«
Das Tokyo International Film Festival hat sich die Frauenförderung nicht gerade auf die Fahne geschrieben – und stach in diesem Jahr doch durch Filme von Regisseurinnen heraus, die durchaus mehr Aufmerksamkeit an zentraler Stelle verdient hätten

Filmkritik

In ihrem zweiten gemeinsamen Projekt »100 Dinge« verwandeln Florian David Fitz und Matthias Schweighöfer den konsumkritischen Selbstversuch des Finnen Petri Luukkainen in eine hübsch gefällige Mainstream-Komödie, die niemandem wehtun will
Diese sich über 45 Jahre erstreckende Chronik der Liebesbeziehung zwischen einem Schriftsteller und seiner Muse erweist sich als burleske und facettenreiche Achterbahn der Gefühle: »Die Poesie der Liebe«
Zu den Problemen, die Teenager Anna und ihre Freunde ohnedies durchleben, gesellt sich noch eine Zombieseuche, die Kumpel und Familienangehörige in Bestien verwandelt: ein Crossover-Film, der mit komischen Ernst die Stilbrüche zwischen Zombie-, Teenager und Musicaldrama zelebriert
Ein mitgenommener Computer eröffnet einem jungen Nerd die Welt des Dark Web, wo scheinbar leicht verdientes Bitcoin-Geld winkt. Erzählt wird das Geschehen in Echtzeit und ausschließlich über das, was die Protagonisten auf ihren Computerbildschirmen sehen. Ein Film, der zeigt, dass man auch mit scheinbar gleichförmigen Bildern und geringem Aufwand Spannung erzeugen kann
Filme aus Paraguay sind selten bei uns. Mit seinem Langfilmdebüt »Die Erbinnen« erzählt Marcelo Martinessi in ruhigen unaufgeregten Bildern von der verfallenden Oberschicht in seinem Land und setzt ein Bild der Flucht dem einer sinnlosen Hoffnung entgegen
In dem furiosen Actionspektakel »Peppermint – Angel of Vengeance« wandert Jennifer Garner auf den Pfaden von Charles Bronson
Ein bekiffter Slacker aus L.A. wird zum Hobbydetektiv und gerät in einen Strudel aus Paranoia und Verschwörungstheorien. ­David Robert Mitchells zitatreicher Neo-Noir ergibt wenig Sinn – soll er auch nicht, denn er ist eine clevere Mischung aus Genrereflexion, surrealem Paranoia-Thriller und augenzwinkernder Parodie: »Under the Silver Lake«
Ein episches Drama über die Ursprünge der Drogenkartelle in Kolumbien. Der Aufstieg einer indigenen Familie zum reichen und mächtigen Gangsterclan und ihr tiefer Fall werden zur blutigen Fabel vom Untergang einer ganzen Kultur. Virtuos vermischt »Birds of Passage« dabei Motive des ethnographischen, des Gangsterfilms und des Western
In einem munteren Mix aus Dokumentation, historischem Exkurs und heiter-frivolem Reenactment nähert sich Rosa von Praunheim hier der Frage, was die Dichterfürsten Goethe und Schiller über ihre literarische Seelenverwandtschaft hinaus verband: »Männerfreundschaften«
Das queere französische Kino erzählt schon seit beinahe 40 Jahren von Strichern und ihrer Einsamkeit. Camille Vidal-Naquet bricht in seinem Spielfilmdebüt »Sauvage« mit den gängigen Klischees und zeigt uns ganz im Sinne von Camus' Sisyphos-Auslegung einen »Rent Boy« als glücklichen Menschen
Getragen von einem starken Ensemble, gelingt Xavier Giannoli mit dieser originellen Mischung aus Detektivfilm und spiritueller Selbsterkundung ein großer Wurf: »Die Erscheinung«
Die Künstlerin als junge Frau: In Alba ­Augusts Verkörperung der jugendlichen ­Astrid Lindgren werden der Optimismus ihrer Bücher und ihre Originalität lebendig. Auch wenn der Film »Astrid« ansonsten recht konventionell von ihren frühen Jahren als alleinerziehende Mutter in einem Schweden erzählt, das so etwas nicht zulassen wollte
Ein neues unwirtliches Kapitel der Exerzitien des Lars von Trier. Dieses Mal folgt er den Spuren eines Serienkillers, der seine hässlichen Taten als schöne Kunst zelebriert: »The House That Jack Built«
Eine formal nervenzehrende, aber vom Stoff höchst anregende und mitreißende US-Doku über Ruth Bader Ginsburg – die Frau, die nach langem arbeits- und erfolgreichem Einsatz für Frauenrechte zu einer Ikone junger progressiver US-Amerikaner wurde
Halla leitet einen Chor, agiert aber insgeheim als Umweltaktivistin, die in ihrer Heimat Island globale Industievorhaben sabotiert. Benedikt Erlingssons neuer Film präsentiert eine starke Frauenfigur: Halla (Halldóra Geirhardsðottir) ist Kriegerin für das Gute, moderne Amazone und Beschützerin der Nachgeborenen. »Gegen den Strom« überzeugt als immer mal surrealer Natur- und Kulturessay ebenso wie als spannender Krimi und Actionfilm
Der beobachtende Dokumentarfilm begleitet einen Angestellten der brasilianischen FUNAI bei einem Besuch der letzten Überlebenden des Piripkura-Volkes – sie leben noch nomadisch im Regenwald. Vielleicht ihr letzter friedlicher Kontakt mit der Außenwelt
Nüchterne und fragmentarisch gehaltene Beobachtungen auf Markplätzen, im Bundestag, in Parteizentralen und Redaktionen ergeben einen facettenhaften Eindruck von der Arbeit unserer Demokratie unter Druck. Der Film zur aktuellen Lage, nichts beschönigend, doch enorm wohltuend durch Zurückhaltung und Offenheit
Aus Kanada kommt die absurde indische Komödie »The Extraordinary Journey of the Fakir«, die es schafft, das Absurde und das Reale so geschickt zu verbinden, dass man sich nicht unter Niveau unterhalten fühlt
In der BRD der 80er kämpft ein türkischer Junge um seinen Platz im Leben. »Sandstern« reißt mitunter zu viele Themen an, doch es gelingen ihm intensive und witzige Szenen
Die Party einer Tanztruppe eskaliert völlig, weil jemand LSD in die Sangria-Bowle gemischt hat. Gaspar Noé findet in »Climax« den passenden Stoff für seinen stilistischen Anarchismus und übersetzt das verstörende Geschehen in ein sich bis zum Bersten steigerndes Crescendo aus Musik und Bewegung
Ein in Schwarz-Weiß gedrehtes estnisches Fantasymärchen von Rainer Sarmet mit einer Liebesgeschichte im Zentrum. Visionär, absurd und derb: »November«
Es ist ein Stoff, wie gemacht für ein fettes Bollywood-Melodram, doch die Geschichte der wachsenden Zuneigung zwischen einem Dienstmädchen und dem jungen Herrn, dem sie den Haushalt führt, entwickelt sich zu einer sanften Kritik der gewaltsamen Verhältnisse. »Die Schneiderin der Träume« ist eine echte Rarität: ein glaubwürdiger, ehrlicher Liebesfilm aus Indien
Kurzweiliges, aber zielloses Doku-Porträt der Bewohner eines großen Berliner Wohnblocks, dessen angedeutete Sozialkritik aufgrund der schwammigen Inszenierung versandet: »Berlin Excelsior«
Nostalgisch-gediegene Adaption eines Agatha-Christie-Romans, der aufgrund seiner moralisch brisanten Mordgeschichte bislang nicht verfilmt wurde: »Das krumme Haus«
Alfonso Cuarón inszeniert in »Roma« Ausschnitte eines Familienalltags im Mexico City der frühen 70er Jahre. Als Hommage an die Hausangestellte Cleo, die vor allem die Kinder miterzieht, filmt er in silbrigem Schwarz-Weiß eine Serie von komplexen, langen Einstellungen, die in vielen Details über die schwierige Epoche Auskunft geben
Anhand von Originalaufnahmen von sechs seiner berühmtesten Shows zeichnen Ian Bonhôte und Peter Ettedgui in ihrem Dokumentarfilm »Alexander McQueen« ein teils überwältigendes, teils einfach nur herzzerreißendes Porträt des britischen Modedesigners. Archivmaterial und neue Interviews fügen sich perfekt zusammen und illustrieren, wie McQueen die Welt der Mode revolutioniert hat
Steve McQueens neuer Film entwickelt vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, in der Verbrechen und Politik untrennbar miteinander verbunden sind, ein so stimmiges wie düsteres Porträt dreier Hinterbliebener, die keine andere Wahl haben, als sich auf höchst ungewöhnliche Weise zu emanzipieren. ­»Widows« ist Psychogramm, Heist-Movie und gesellschaftskritischer Kommentar in einem
Die berühmte Erzählung von Charles Dickens um die Bekehrung des geizigen Ebenezer Scrooge weiß in dieser Version der Augsburger Puppenkiste vor allem in den dramatischen Szenen zu überzeugen: »Geister der Weihnacht«
Viel Stieg Larsson ist nicht in »Verschwörung«, der Fortsetzung der »Millennium«-Trilogie. Aber mit Claire Foy als taffer und doch zerbrechlich wirkender Lisbeth Salander hat Fede Alvarez einen geradlinigen Actionfilm gemacht
Im zweiten von wahrscheinlich fünf Teilen des »Harry Potter«-Spin-offs greift der von Johnny Depp mit angenehm stoischer Härte gespielte Grindelwald nach der Macht. Newt Scamander (Eddie Redmayne) und seine Mitstreiter aus dem ersten Teil reisen nach Paris, um den Kampf gegen das Böse aufzunehmen. Bild- und soundgewaltiges Spektakel für Genrefans, das düsterer und komplexer daherkommt als sein Vorgänger

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