Kritik zu Berlin Excelsior
Dokumentarfilmer Erik Lemke versucht die filmische Annäherung an einen Berliner Wohnblock und seine disparaten Bewohner
Im aktuellen Dokumentarfilm herrscht seit geraumer Zeit ein zwiespältiger Minimalismus vor: Erklären gilt als altmodisch, Interviews als langweilig und ein Off-Kommentar als Todsünde. Zusammenhänge sollen sich möglichst organisch aus den gezeigten Bildern ergeben – ein zweifellos hehres Ziel, das aber eine stringente Regie voraussetzt. Oft dient dabei im Stil von Doku-Legende Frederick Wiseman ein bestimmter Ort als inhaltliche Klammer – gut funktioniert hat das zuletzt etwa im Film »Zentralflughafen THF«, in dem über den klar definierten Zeitraum von einem Jahr die verschiedenen Bewohner und Besucher des ehemaligen Hauptstadtflughafens Tempelhof porträtiert wurden. »Berlin Excelsior«, der erste Langfilm von Regisseur Erik Lemke, verfolgt einen ganz ähnlichen Ansatz mit einer anderen Berliner Landmarke: dem klobigen 70er-Jahre-Wohnklotz »Excelsior« an der Anhalter Straße.
Lemke folgt einer kleinen Gruppe von Mietern durch ihren Alltag; die Auswahl der Charaktere bleibt dabei ebenso willkürlich und unvermittelt wie der Zusammenschnitt der Szenen: ein alternder Callboy mit Social-Media-Ambitionen, eine Tänzerin, die zurück auf die große Bühne will, ein Krebspatient nach der Chemotherapie, ein Erzieher, der ein Start-up gründen will, ein Heilpraktiker, ein junges italienisches Pärchen. Lose zusammengehalten werden die einzelnen Erzählstränge neben dem gemeinsamen Wohnort durch die Figur eines örtlichen Fotografen, der einigen der Porträtierten mit beruflichem Rat zur Seite steht. Von einer wie auch immer gearteten Dramaturgie hält der Regisseur aber nur wenig: Die einzelnen Ausschnitte aus dem Leben seiner Charaktere bleiben zumeist ohne Kontext, wirken teilweise wie beliebig arrangiert.
Auch wird nicht deutlich, was nun den Ort, den »Berlin Excelsior« wählt, von anderen großen Wohnhäusern unterscheiden soll. Ein plötzlich in der Mitte des Films einsetzender, unkommentierter Rückblick auf den Bau und die Geschichte des Hauses in Archivaufnahmen ist zwar interessant, gibt dazu aber auch wenig erhellende Auskunft. Falls es Lemke um die teils unsicheren, prekären Lebensumstände seiner Protagonisten ging – so deutet es der Pressetext an –, bleibt der soziale Kommentar reichlich vage; falls er, im Stil von J. G. Ballards »High Rise«, den Einfluss gigantischer Betonbauten auf ihre Bewohner untersuchen wollte, fehlt die klare Beweisführung.
Dabei hat der Filmemacher eine sympathische Mischung aus Neu- und Alt-Berliner Originalen vor der Kamera versammelt und als rein lokalpatriotische Ode an die Lebenskünstler der Hauptstadt funktioniert der Film durchaus. Darüber hinaus aber gelingt es »Berlin Excelsior« aber nicht, einem roten Faden zu folgen, der zu mehr führen könnte als einem kurzweiligen und bald wieder vergessenen Einblick in das Leben einiger Großstädter. Lemkes Film fehlt es an Biss, inszenatorischer Stringenz und dem spürbaren Willen, mit Hilfe der filmischen Form den grauen Betonwänden des Excelsior ihre Geheimnisse zu entlocken.
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