Kritik zu Das krumme Haus

© 20th Century Fox

Ein Agatha-Christie-Stoff, der bislang noch nicht verfilmt ­worden war. Gilles Paquet-Brenner adaptiert die einst verrufene Geschichte

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England, Mitte der 1950er Jahre. Aristide Leonides, ein griechischer Self­mademan, der es als Einwanderer zum Milliardär brachte, kommt in seinem luxuriösen Anwesen unter mysteriösen Umständen zu Tode. Seine Enkelin Sophia geht von einem Mord aus und engagiert ihren Exgeliebten Charles (Max Irons), einen früheren Diplomaten, der nun als Privatdetektiv arbeitet. Die Ausgangssituation dieser Agatha-Christie-Adaption birgt keine Überraschungen. Ein junger Schnüffler betritt das prachtvolle Haus des mutmaßlichen Mordopfers, das im Übrigen auch nicht »krumm« ist.

Der Originaltitel »The Crooked House« spielt nicht auf die Architektur, sondern auf die in einer illustren WG zusammen lebenden Verwandten des Toten an. Gemäß dem englischen Ausdruck »crook« erweisen diese sich durch die Bank als »Gauner« bzw. »Ganoven«. Das heißt, sie haben alle ein Motiv. Da wären etwa Sophias Eltern Philip (Julian Sands), ein verkrachter Autor, und Magda (Gillian Anderson), eine talentlose Theaterdarstellerin, die beide in realitätsfremder Selbstüberschätzung von der Kunst träumen.

Nacheinander vernimmt der Detektiv dann noch Edith (Glenn Close), die Schwester der verstorbenen ersten Frau von Aristide, die mit der Schrotflinte auf Maulwürfe schießt, und Brenda (Christina Hendricks), die sehr viel jüngere zweite Frau von Leonides. Letztere gilt als Hauptverdächtige. Sie hat nämlich eine Affäre mit Laurence Brown (John Heffernan), dem Hauslehrer von Sophias jüngerem Bruder Eustace (Preston Nyman). Während der Ermittler sich durch dieses Labyrinth vortastet, erhält er gut gemeinte Ratschläge von Josephine (Honor Kneafsey), einem altklugen Mädchen, das gerne Detektiv spielt.

Die Konstellation erscheint nur zu vertraut und auf nostalgische Weise konven­tionell. Gilles Paquet-Brenner, wohl nur wenigen durch das Holocaust-Drama »Sarahs Schlüssel« bekannt, inszenierte ein gediegenes, im Vergleich zu Kenneth Branaghs Neuverfilmung von »Mord im Orient-Express« sichtbar niedrig budgetiertes Kammerspiel. Während man auf die Lösung des Rätsels wartet, schwelgt die Kamera in luxuriösen Interieurs und streicht über die prachtvolle Außenfassade von Wrotham Park, die schon über 60 Mal als »location« verwendet wurde.

Das eigentliche Rätsel lautet also: Was genau ist der Anlass für diese Agatha-Christie-Adaption? Anders herum gefragt: Warum wurde gerade diese Vorlage aus dem Jahr 1949, angeblich Agatha Christies Lieblingsroman, erst jetzt verfilmt – wo doch jeder andere Stoff der Autorin mehrfach für die Leinwand bearbeitet wurde? Die Antwort liegt auf der Hand. Das Krimi-Genre hat ungeschriebene Gesetze. Diese hat die Autorin mit ihrem Roman seinerzeit so sehr missachtet, dass die Filmindustrie bislang einen großen Bogen um die moralisch brisante Mordgeschichte machte. Inzwischen hat sich das sittliche Empfinden jedoch ziemlich gewandelt. Den meisten Kinogehern wird wohl gar nicht mehr auffallen, warum dieser Stoff so lange als skandalös gemieden wurde.

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