11/2010

In diesem Heft

Filmkritik

Die unerträgliche Leichtigkeit des Schauspielerdaseins: Mit leiser Melancholie und subtilem Humor gibt Sofia Coppola Einblicke ins haltlose Leben eines Hollywoodstars, das durch den Besuch seiner 11-jährigen Tochter für kurze Zeit zur unspektakulären, aber umso schöneren Normalität zurückfindet
Der Sarg als ultimativer Panic Room des Kinos: Ryan Reynolds spielt in dem spannenden Thriller von Rodrigo Cortés einen Mann, der lebendig begraben wurde und mit Hilfe eines Handys um sein Leben kämpft
Hirokazu Kore-eda beobachtet bei einer Familienfeier in kühler Milde lauter Kleinigkeiten, die beredt von alten Konflikten und der Ausweglosigkeit von Aufgehobenheit erzählen
Ein sudetendeutsches Schicksal während der deutschen Okkupation zwischen Zivilcourage und Verstrickung. Juraj Herz' tschechischdeutsche Koproduktion über ein Tabuthema leidet unter ihrer eigenen Ausgewogenheit
Ein Politthriller mit erstaunlich menschlicher Note, der zwischen Wahrheit und Wahrscheinlichkeit einen hochrealistischen Eindruck hinterlässt. Selten wurde Politik derart glaubwürdig als im höchsten Maße korrupt und unbelehrbar beschrieben
Wolfgang Panzer verfilmt Thomas Hürlimanns Romanvorlage als politische Soap-Opera, die selbst Bruno Ganz mit seinem routinierten schauspielerischen Führungsstil nicht retten kann
Mit einem großartigen Schauspielerensemble, schlagfertigen Dialogen und einem feinen Gespür für die Muster des menschlichen Zusammenlebens versetzt Lisa Cholodenko in ihrem Sundance-Hit »The Kids Are All Right« Familienbeziehungen und Geschlechterrollen in Schwingung
Eine in jeder Hinsicht unoriginelle Beziehungskomödie über ein Paar am Scheideweg: schlecht geschrieben, bieder inszeniert, mittelmäßig gespielt
Eine uneingestandene Liebe und ein eigentlich aufgeklärter Mordfall führen die Beteiligten nach 25 Jahren wieder zusammen. Dass in Argentinien die Geister der Vergangenheit nicht zur Ruhe kommen wollen, ist in Juan-José Campanellas Verknüpfung von Kriminal- und Liebesfilm auch eine diskret politische Botschaft
Der Heilige Geist fiebert der Premiere seines ersten Musicals entgegen. Nur hat Gott ausgerechnet für diesen Abend die Apokalypse vorgesehen. Selten war Blasphemie so bieder wie in Harald Sicheritz’ von allen guten Geistern verlassener Satire
Neil Jordan erkundet die mystischen Regionen seiner irischen Heimat und erzählt die Geschichte eines Fischers, dem eine junge Frau ins Netz geht. In durchaus sexualisierter und hemmungslos romantischer Form erzählt der Film von der Sehnsucht nach einem Märchen im eigenen Lebenstrübsal. Dabei wirken die eingestreuten Genreversatzstücke des Gangsterfilms allerdings etwas fehl am Platz
Der erste abendfüllende Dokumentarfilm des kanadischen Filmemachers Guy Maddin verknüpft die Geschichte seiner Heimatstadt Winnipeg mit der Familiengeschichte des Erzählers zu einem Reigen bizarrer Episoden und Ereignisse, deren Wahrheitsgehalt der Zuschauer anzweifeln darf
Olivier Assayas' episches Biopic über den berüchtigten Terroristen Carlos entkleidet den Mythos, ohne ihm ein neues Kostüm zu verpassen. Eine faszinierende historische Recherchereise in die 70er und 80er Jahre, mitreißend, vieldeutig und opulent
Jens Schanze kontrastiert die neuesten Entwicklungen in Computerlabors auf der ganzen Welt mit den Ideen des Technikskeptikers Joseph Weizenbaum, dessen Intention er aber nicht immer gerecht wird
Nach einem gescheiterten Banküberfall flüchtet der an Gedächtnisverlust leidende Bruce von Los Angeles nach New York. Eine visuell überfrachtete Verbeugung vor dem Film noir ohne inhaltliche Überraschungen
Ein ehrgeiziger junger Koch verliebt sich in einem Gourmetrestaurant in die Sommelière, die jedoch mit ihrem Chef ein Verhältnis hat: ein ungelenker Beziehungsfilm, der neben Alltagsdetails auch das Kochmetier unterbelichtet lässt
Eine mutige Zukunftsvision, eine naheliegende Dystopie, die zugleich Familiendrama, Liebesfilm und Terroristenthriller ist. Manches ist in »Die kommenden Tage« zwar zu exemplarisch konstruiert, doch die Schauspieler und die Bilder sind mitreißend
Der Film ist formal journalistische Fast-Food-Kost und P.A. Straubinger ein bisschen zu fasziniert von seinem Gegenstand. Bleiben Einblicke in die exotische Welt von Licht- und Prana-Essern und ein paar anregende Überlegungen zu ganzheitlicher Welterklärung
Indisches Autorenkino, das Bollywoodopulenz satirisch in die medial gefilterten Ansichten einfachen Landlebens zurückholt. Und natürlich auch eine Antwort auf »Slumdog Millionär«
Behutsam verwandelt Angela Schanelec die gläserne Abflughalle von Orly in eine Bühne, auf der sie ihre Protagonisten spazieren führt. Obwohl dem Zufall meistens nachgeholfen wird, entsteht ein Nachdenken über die »geschenkte Zeit« des Wartens, die jeder schon so erlebt hat
Innenansichten einer Familie: Auf den ersten Blick scheint die Welt der 14-jährigen Jessika gut zu funktionieren, aber dann gerät alles aus dem Lot. Deutsches Debüt, das mehr will als es kann, aber durch seine beeindruckenden Darsteller glänzt
Ein Film über die Konventionen sprengende Kraft und Macht der Liebe, über das Licht und die Landschaft Italiens, über impulsive Leidenschaft und sinnliche Genüsse, erzählt aus der Perspektive einer Frau – hier und da nah am kunstgewerblichen Kitsch, dann doch wieder mitreißend
Der 14-jährige Armin reist mit seinem Vater aus der bosnischen Provinz nach Zagreb, um an einem Casting für einen Film über den Balkankrieg teilzunehmen. Regisseur Ognjen Svilicic inszeniert diese Reise als eine Begegnung von Kulturen – lakonisch, mit Liebe zum Detail und mit leisem Humor
Bruce Beresford navigiert weitgehend überraschungsfrei durch das Leben des chinesischen Tänzers Li Cunxin, der als 11-jähriger Bauernsohn für die Ballettschule in Peking rekrutiert wird und später nach einem Stipendium in den USA nicht nach China zurückkehrt
Robert Rodriguez' zweite Hommage an die Exploitation-Filme der 70er Jahre ist Bahnhofskino im besten Sinne. Der Witz des ursprünglichen Trailers geht in der Langfassung streckenweise jedoch verloren
Mut braucht es auf jeden Fall, wenn sich einer auf die Reise durch die Parallelgesellschaft der Hartz-IV-Empfänger begibt, die man heutzutage an jeder Ecke beim Leergutsammeln antrifft. Leider fehlt so etwas wie analytische Stringenz
Vier pensionierte ehemalige CIA-Agenten zeigen dem Nachwuchs, dass mit ihnen noch zu rechnen ist, als man sie als Mitwisser einer Intrige beseitigen will. »R.E.D.« ist eine Actionkomödie, die vom Spiel der versierten Darsteller lebt

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