Kritik zu Nichts ist besser als gar nichts
Die vielen Facetten der heutigen, sich wandelnden Arbeitsgesellschaft: Dokumentarfilmer und Selbstdarsteller Jan Peters ist wieder unterwegs. Dieses Mal in den weniger feinen Straßen von Mainhattan
Dass sich Jan Peters bereits im Titel lebensphilosophisch gibt, überrascht am wenigsten. Schon eher, dass der in Berlin, Hamburg und Paris beheimatete Dokumentarfilmer ausgerechnet in Frankfurt seine Feldstudien betrieben hat. Aber wahrscheinlich ist der Frankfurter Flughafen schuld und der mit Preisen überhäufte Kurzfilm »Wie ich ein freier Reisebegleiter wurde« (2007), der das Ausgangsmaterial für den inszenierten langen Dokumentarfilm geliefert hat. Es geht um die Idee eines Frührentners, der täglich am Frankfurter Flughafen eine Gruppenkarte für die U-Bahn kaufte und gegen ein Entgelt seine Reisebegleitung anbot, um seine Rente aufzubessern. Viel kommt dabei nicht herum, wie dem lakonischen Titel zu entnehmen ist, und wie Jan Peters nun ausführlich selbst erkundet. Ergebnis: eine Reise durch die Frankfurter Parallelgesellschaften. Und wer aus Frankfurt kommt, wird den einen oder anderen wiedererkennen: Jürgen Schank aus dem Südbahnhof und – im Hintergrund – die namenlose Baglady mit der Ballonmütze, die seit Jahr und Tag in der Stadt unterwegs ist.
Jan Peters hat die alte Idee nun gehörig aufgerüstet. Durch Zufall steht er plötzlich mit einer Gruppenkarte, dafür ohne Barmittel und Scheckkarte da und beschließt, die Abwesenheit seiner Freundin – sie hat das wertvolle Gut auf eine Südamerikareise mitgenommen – dafür zu nutzen, sich sechs Wochen lang auf besagte Art durchzuschlagen. Er trifft auch gleich auf einen Unternehmensberater, eigentlich ein Doktor der Philosophie, der sein von Habermas, Hegel und Kant geschultes Wissen auf Betriebsebene vermarktet, nebenbei aber noch Hauptschüler ohne Abschluss betreut. Das Prinzip der zwei und mehr Jobs ist eines der Geheimnisse, die unser Versuchskaninchen umzusetzen versucht, aber wer nichts hat, der bringt es auch nicht allzu weit. Diese alte Weisheit durchweht den Film bis zur letzten bitteren Minute. Die Bilanz für Jan Peters fällt jedenfalls so aus, dass zuletzt kein satter Gewinn, sondern eine dicke, dafür leere Null unter dem Strich steht.
So unterhaltsam das Ganze ist, die Begegnung mit jungen Arbeitslosen, die zum Gebäudereiniger ausgebildet werden, mit der »Bienengruppe«, die unter der Anleitung eines Künstlers die Bienenstöcke auf dem Dach des Museums für Moderne Kunst betreut, mit den Jongleuren, die an einer Verkehrsampel Keulen schwingen, vor allem mit Jürgen Schank, Hartz-IV-Empfänger und Kleinunternehmer vom Südbahnhof, sowie Susanne Wiest, Tagesmutter und Direktkandidatin aus Ost-Vorpommern, die für ihre Petition für ein bedingungsloses Grundeinkommen gleich 50.000 Unterschriften beisammen hatte – Jan Peters war eben nur auf Besuch in dieser bunten Gesellschaft. Ein Augenöffner ist der Film nur insofern, als er die Summe dieser Erscheinungen zu ziehen versucht und die Arbeitsgesellschaft im Wandel in möglichst vielen Facetten vorführt. Die eingestreuten Analysen bleiben jedoch halbherzig und stören den Reisefluss des Films. Denn das Unterwegssein, das Nicht-zur-Ruhe-kommen ist das Hauptmerkmal dieser neuen Gesellschaft – ob so ein »würdevolles Leben außerhalb des Ausbildungssystems« aussieht, wie der Philosoph behauptet, kann der Film nicht überzeugend belegen.
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