Kritik zu Armin
Völkermord, Vergewaltigung, Vertreibung: Das sind meist die Themen der Filme, die sich mit dem Balkankrieg beschäftigen. Hier aber erzählt der kroatische Autor und Filmemacher Ognjen Svilicic von Verletzungen anderer Art
Die Eingangssequenz erinnert an Bilder, die man aus den 90er Jahren kennt: Zerschossene Häuser in irgendeiner bosnischen Stadt, lädierte Moscheen, dazwischen Menschen auf dem Weg zurück in ein normales Leben. Zu denen gehören auch der Mittvierziger Ibro (Emir Hadžihafizbegovic) und sein 14-jähriger Sohn Armin (Armin Omerovic-Muhedin), die auf dem Weg ins entfernte kroatische Zagreb sind, wo Armin beim Casting einer deutschen Filmproduktion vorsprechen soll. Es geht um einen Film über den Balkankrieg. Alsbald ist klar, dass Armin keine Chance für eine Rolle hat, er ist zu alt. Als es Ibro gelingt, die Filmcrew zumindest für Armins Fertigkeiten auf dem Akkordeon zu interessieren, bricht der Junge mit einem epileptischen Anfall zusammen. Nun sehen die Filmemacher die Chance, Armin als spätes Opfer des Krieges zum Gegenstand einer Dokumentation zu machen.
So unspektakulär wie die Geschichte ist auch die Inszenierung von Ognjen Svilicics zweitem Spielfilm (nach »Sorry for Kung Fu«, 2004). Der Film verlässt sich ganz auf die Präsenz seiner beiden Protagonisten, die er meist in Close-ups ins Bild setzt. In Ibros Gesicht spiegeln sich sowohl der naive Optimismus des Vaters als auch sein zunehmender Zweifel, ob die westliche Lebensart, die ihm in Gestalt des noblen Hotels und der Filmcrew vor Augen geführt wird, wirklich erstrebenswert ist. Armin scheint ihn dabei eher unfreiwillig mit dem linkischen Gehabe eines Teenagers zu begleiten, dem der Aktivismus des Vaters eher peinlich ist und der sich lieber in seinem Hotelzimmer verkriecht.
Ognjen Svilicic vermeidet alle Klischees bei der Gegenüberstellung der verschiedenen Lebensweisen des Films. Es genügt eine Andeutung, ein Blick auf die lego-bunten neuen Hochhäuser Zagrebs, in die sterilen Flure des Hotels, in dem Kellner mit aufgesetzter Freundlichkeit herumlaufen, um zu erkennen, was Svilicic von der Aufholjagd nach westlichem Lifestyle hält. Dezent verfährt der Film auch da, wo sich satirische Momente geradezu aufdrängen, wie bei der Darstellung des Filmteams. Marie Bäumer als stets mehr oder minder angetrunkene Produzentin lässt erahnen, dass cineastische Fantasie bisweilen anregender Mittel bedarf.
»Armin« ist auch ein Film über die Schwierigkeiten zwischenmenschlicher Kommunikation. Ibro, dem leicht der Mund übergeht, stößt ständig auf Schweigen, ob bei dem pubertären Gleichmut seines Sohnes oder dem demonstrativ sich abwendenden Mitfahrer im Bus. Und dort, wo das Schweigen gebrochen wird, scheitert die Verständigung: In einem hochkomischen interkulturellen Dialog reden Ibro und der deutsch-türkische Mitarbeiter der Filmfirma in fremden Zungen aneinander vorbei.
Man mag das Understatement des Films für übertrieben halten, seine Fallhöhe als zu niedrig und seinen Schluss als zu versöhnlich ansehen. Doch trägt dies dazu bei, dass Armin all das auf einmal sein kann: ein lakonischer Nach-Kriegsfilm, ein Film über kulturelle Differenzen und eine unsentimentale Vater-Sohn-Geschichte – und am Ende auch ein leises Plädoyer für menschliche Würde und gegen mediale Ausbeutung
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