Kritik zu Plug & Pray
Jens Schanze geht in seinem Dokumentarfilm dem alten Menschheitstraum nach, »intelligente« Maschinen herzustellen, und porträtiert den großen Kritiker dieser Idee, den Computerpionier Joseph Weizenbaum
Joseph Weizenbaum gilt als Miterfinder des Computers, dessen Möglichkeiten er aber stets realistisch und nüchtern einschätzte. Cyberspace, virtuelle Realität und künstliche Intelligenz entlarvte er frühzeitig als digitale Esoterik. Zu den Apparaten selbst pflegt der IT-Nestbeschmutzer jedoch eine ausgesprochene Hassliebe. Wenn der Computer-Realo zu Beginn dieses Dokumentarfilms sein Laptop hochbootet und dabei bekannte und nervige Probleme mit Gesten, Blicken und trockenen Bemerkungen kommentiert – dann ist das eine schreiend komische Kabarettnummer.
»Plug & Pray« ist weniger ein Porträt als vielmehr eine Hommage an den Computerveteran. Jens Schanze hat ihn kurz vor seinem Tod im Jahr 2008 in seiner Berliner Wohnung besucht. Anregende Gespräche mit diesem Mann, der auf unverkrampfte Art das Gegenteil eines Nerds verkörpert, bilden das Zentrum eines Dokumentarfilms, der leider nur streckenweise überzeugt. Ausgehend von Weizenbaums ketzerischen Anmerkungen zur Digitalisierung bricht Schanze auf zu Streifzügen durch Computerlabors in der ganzen Welt. Ein verspielter Italiener tüftelt an einer mechanischen Gliederpuppe, die wie das Metallskelett des Terminators aussieht. Der verrückte Japaner Ishiguro hat sich selbst als lebensgroße Latexpuppe nachgebaut. Und Hans-Joachim Wünsche von der Bundeswehr-Uni München entwickelt Autos, die sich selbst steuern (sollen). Der Film zeigt Automaten, die immer komplexer werden – so scheint es. Hier und da wirft Schanze einen ironischen Blick auf diese skurrilen Apparate und zeigt, was sie tatsächlich sind: Zeitfresser, Tamagotchis.
Einige Aussagen ihrer Konstrukteure sind unfreiwillig komisch. Da der Film aber keine klare Position bezieht, geht so manche Komik in naivem Staunen unter. So werden wir nach der Überzeugung des Techno-Gurus Raymond Kurzweil bald unsere Erinnerungen und Gedanken in einem sogenannten »Mindfile« abspeichern, wodurch die Grenze zwischen Mensch und Maschine verschwindet.
Mit dieser digitalen Scharlatanerie ist jedoch eine ganz andere Grenze überschritten, die der Film nicht kenntlich macht. Den Bruch zwischen einer real existierenden Festplatte und einem Robotermärchen bekommt Schanze nicht wirklich in den Blick. Sein Film verwischt die Trennlinie zwischen dem technisch Möglichen und überzogenen Computerphantasien. Damit verfehlt er die Intention Weizenbaums, mit dessen Erbe er fahrlässig umgeht.
Als unermüdlicher Kritiker warnte Weizenbaum weniger vor einem Missbrauch hybrider Technik. Er wollte klarmachen, was diese Technik niemals können wird. »Die Wissenschaft denkt nicht«, sagte Heidegger, und mit Weizenbaum werden das Computer erst recht nicht können. »Künstliche Intelligenz« hat also weniger mit Schaltkreisen und Software zu tun als mit natürlicher Dummheit. »Ich bin alles andere als ein Computerfreak und habe mich nie länger als notwendig mit diesen Geräten beschäftigt«, erklärt der Dokumentarist freimütig. Das merkt man seinem Film an.
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