Kritik zu To the Wonder
Die Liebesgeschichte zwischen einer jungen Frau aus dem von Kultur geprägten alten Europa und einem Mann aus dem weiten, nicht mehr unberührten Amerika – von Meister Terrence Malick erzählt wie eine Mixtur aus Kunstkino und Amateurfilm
Stets ist sie in Bewegung, die poetisch entfesselte Kamera. Wie eine weitere Hauptfigur drängt sie sich oft zwischen die Charaktere des Films. Zusammen mit der Erzählung aus dem Off entsteht ein irrwitziger Flow, der fasziniert und enerviert zugleich: Als wollte Terrence Malick gerade das filmen, was eigentlich zwischen den Bildern liegt. Der schwindelerregende filmische Trip beginnt in Europa, in Paris, dort wo die Nouvelle Vague und die bewegliche Kamera ihren Ausgang nahmen. Und er beginnt natürlich als Liebesgeschichte, als spielerische, aber obsessive Love Story, von Anfang an von einem Hauch Wahnsinn umgeben.
Olga Kurylenko spielt die Französin Marina. Sie ist verliebt in Neil, einen Amerikaner in Paris. Anfänglich, wenn man die beiden beim Liebesspiel sieht, ist von Neil, der von Ben Affleck verkörpert wird, oft nur das Kinn zu sehen. Affleck und auch Kurylenko sind bei Malick eher Modelle als Schauspieler, beinahe im Sinne von Robert Bresson.
Marina folgt mit ihrer kleinen Tochter, die aus einer früheren Beziehung stammt, ihrer großen Liebe Neil in die Staaten nach. Doch der Weg führt nicht in eine Metropole, sondern in eine Kleinstadt in Oklahoma, wo die Weite des Landes zu spüren ist, seine Fremdheit – und seine Modernität. Der Verspieltheit der europäischen Häuser und Wahrzeichen steht auf einmal die Strenge der amerikanischen Gebäude gegenüber. Selbst die Innenräume der US-Eigenheime sind von Leere und Weite geprägt. Der renommierte Ausstatter Jack Fisk, der schon lange mit Malick zusammenarbeitet, hat Sets geschaffen, die an Antonioni erinnern, aber mehr noch an die Innenräume der Filme von Ulrich Seidl. In der genuinen amerikanischen Adaption eines Seidl’schen Alptraumhauses, in dem jede Kommunikation erstickt wird, beginnen Neil, Marina und deren kleine Tochter zu leben. Eine kleine Familie gegen jede Chance.
Die wilde Liebe zwischen Neil und Marina kann sich nicht mal zu einer richtigen Amour fou entwickeln, die Malick seit »Badlands« eigentlich schätzt als einen Zustand erhöhter Wahrnehmung. Die wilde Liebe zwischen beiden wird in den USA, noch bevor sie heiraten, zu einer komplexen Ehehölle, in der sich bald alle Probleme Amerikas spiegeln. Ein Priester (Javier Bardem) und die von ihm betreuten Randfiguren der amerikanischen Gesellschaft werden zu einer Art griechischem Chor, der die Probleme der beiden bürgerlichen Hauptfiguren kommentiert und relativiert.
Wildnis und Zivilisation und die Gegenwart einer Dritten Welt in den USA: Wie so oft bei Malick geht es auch in »To the Wonder« um eine neuerliche Entdeckung Amerikas. Und die Verkörperung der »Neuen Welt« stellt zweifellos Ben Affleck dar, der sagt, er habe für seine Rolle den klassischen amerikanischen Star Gary Cooper studiert. Tatsächlich ist er das Objekt des Films: der amerikanische Mann als geheimnisvoll schönes, nachdenkliches, moralisch offenes Wesen. In einem von Bildern und Ideen überbordenden Film verbindet sich der Schatten über dem Paradies mit der Unmöglichkeit einer Liebe zwischen Europa und den USA.
Kommentare
To the wonder
Herr Malick, wie kommt es zu diesem Film? Ist es eine Ode an die Vergänglichkeit der Liebe – möglicherweise an die Idee "Europa unvereinbar mit dem Rest der Welt"? Ich denke nicht. Die Kamera richtet sich ganz direkt, bis zur Schmerzgrenze, auf die Protagonisten, die filmischen Szenen bleiben unverbunden, unverbindlich. Die Sprache zählt hier nicht, allein die Bilder sollen Inhalt sein. Ein schwieriges Unterfangen, ein Arthouse-Film, der Fragen unbeantwortet läßt, dem Zuschauer ein umständliches Sehverhalten aufzwingt. Warum nur? Der Film hinterläßt nichts. Schade.
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