Kritik zu Verführt und Verlassen

Trailer OmU © Weltkino

2013
Original-Titel: 
Seduced and Abandoned
Filmstart in Deutschland: 
10.07.2014
FSK: 
12

James Toback und Alec Baldwin sind nach Cannes gefahren, um angeblich einen Film zu finanzieren, aber eigentlich, um zu dokumentieren, wie schwierig das Geschäft des Geldauftreibens ist. Ihre Doku besteht aus vielen unterhaltsamen Abschweifungen und einigen interessanten Einblicken in die Praktiken des Filmmarkts

Bewertung: 4
Leserbewertung
4
4 (Stimmen: 2)

Wenn zwei namhafte Menschen aus dem Kinogeschäft zusammen einen Film machen, geht man davon aus, dass sie sich ergänzen. Zumal wenn sie wie Alec Baldwin und James Toback als schon gesetztere Herren ihre Identitäten gefunden haben, der eine als Schauspieler, der andere als Regisseur. Im Fall von Verführt und verlassen aber kam es anders: Toback und Baldwin ergänzen sich hier nicht, sie multiplizieren einander. Verführt und verlassen ist nicht nur ein Film, sondern viele Filme. Was das Vergnügen des Zuschauers nur steigert.

Die ursprüngliche Idee von Baldwin und Toback war offenbar, einen entspannt-witzigen Dokumentarfilm über das gar nicht lustige Thema der Filmfinanzierung zu drehen. Beide haben damit in ihren jahrzehntelangen Karrieren offenbar viel Frust erlebt, und man kann sich gut vorstellen, wie sie sich mal in New York über den Weg gelaufen und einen trinken gegangen sind und wie beim gegenseitigen Vorklagen über das letzte durchgefallene Projekt die Idee zu Verführt und verlassen entstanden ist. »Wir fahren nach Cannes...« – das war sicher Tobacks Einfall – »...und filmen uns dabei, wie wir versuchen, Geldgeber zu finden!« Als Pitch, und das kann man sich gut als Baldwins Beitrag vorstellen, benutzen sie den Arbeitstitel Der letzte Tango in Tikrit. Angelehnt an Bernardo Bertolucci soll Baldwin darin wie einst Marlon Brando in ganz neuem, rohem, authentischem Licht herauskommen. Als Maria Schneider haben sie Neve Campbell vorgesehen.

So weit, so gut. Gleich zu Beginn wird Orson Welles zitiert, der feststellen musste, dass sein Leben zu 95 Prozent aus Herumrennen und Geldauftreiben und nur zu fünf Prozent aus Filmemachen bestanden habe. »That’s no way to live.« Weshalb Toback und Baldwin auch kaum, dass die Titelsequenz vorbei ist, mit Abschweifungen beginnen: Baldwin spricht darüber, wie schwer es als Schauspieler sei, etwas richtig zu machen. Für Mike Nichols (Die Waffen der Frauen) sei er nur der Pfannenheber gewesen, mit dem man das Omelette umdreht, nein: weniger, nur das zusätzliche Salz, das man abschließend draufstreut... Es wird nicht die einzige ­Tirade des Films bleiben.

Mäandernd zwischen Promibekenntnissen – von keinen Geringeren als Martin Scorsese, Roman Polanski, James Caan, ­Ryan Gosling, Jessica Chastain und u. v. m – und Statements zu den Mühen der Filmfinanzierung geht es munter weiter. Kurz wird auch die Besonderheit von Cannes abgehandelt, das eben hinter der Fassade von Rotem Teppich und Starauflauf ein international einmaliger Filmmarkt sei, auf dem zukünftige Projekte zirkulierten. So unterhalten sich Baldwin/Toback in einer Szene mit Bertolucci über die Dreharbeiten zum Letzten Tango von Paris (Marlon habe fünf Jahre lang nicht mit ihm geredet!), und in der nächsten lassen sie sich von ein paar »Foreign Sales Guys« vorhalten, dass es in ihrem Film zu wenig Humor, zu wenig Explosionen und zu wenig U-Boote gäbe. Außerdem sei Baldwin natürlich ein wunderbarer Schauspieler – aber inzwischen doch eher ein Fernsehstar. Aber wenn sie Ryan Gosling oder Natalie Portman mit dabeihätten?

Als ungeheuer buntes Mosaik von interessanten Anekdoten und Statements ist Verführt und verlassen allein schon wegen der Interviews mit den Altmeistern Coppola, Scorsese, Polanski und Bertolucci sehenswert, die sich hier als Helden der Abgeklärtheit geben, weise und ehrlich wie selten.

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