Kritik zu Star Trek: Nemesis

Trailer, englisch © Universal Pictures

»Make it so«: Picards Crew berappelt sich

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Der Fan weiß, dass die Kinofilme des »Star Trek«-Franchise einem Gesetz unterliegen: Die geraden Nummern sind immer die guten. Das bestätigt sich jetzt wieder, denn der zehnte Film der Serie wartet mit einer gelungenen Mischung aus Selbstreferenzialität, Humor und Spannung auf.

Fantasy betont den »Charakter des Zuhause-Seins – sich darin auszukennen, geborgen zu fühlen und nach Variationen zu suchen«, schrieb Jan Distelmeyer in der letzten Ausgabe der epd Film über das Fantasygenre und seine Fans. Ähnlich verhält es sich auch mit Teilen der Science-Fiction. Und wenn die Leinwand sich zum inzwischen zehnten Mal für »Star Trek« öffnet und Jerry Goldsmith in seine Ouvertüre die Klänge des »Star Trek«-Themas von Alexander Courage einarbeitet, ist man zu Hause wie sonst fast nirgendwo im Kino.

Man kennt das Personal, und strenge Kritiker mögen bemängeln, dass sich auch diese Geschichte wieder in bekannten Bahnen abspiele, alles schon mal so oder anders dagewesen sei, aber, da capo für Jan Distelmeyer, »sofern das Versprechen von Geborgenheit überhaupt funktioniert, ist es auf Stabilität angewiesen.«

In »Star Trek: Nemesis« heiratet William T. Riker seine alte Flamme Deanna Troi und will die Enterprise verlassen, um ein eigenes Schiff zu übernehmen. Doch dann macht die Besatzung elektromagnetische Strömungen auf einem Planeten aus. Was die Crew dort findet, sind Einzelteile eines Replikates von Lieutenant Commander Data, dem wohl populärsten Androiden unserer Galaxis. Das Raumschiff wird plötzlich auf eine diplomatische Mission zu den Romulanern entsandt, die Frieden mit der Föderation schließen wollen. Auf dem (natürlich) feindlich gesinnten Planeten trifft Captain Picard den neuen Führer Shinzon – eine menschliche Replik seiner selbst, der ursprünglich von den Romulanern als eine Waffe gegen die Föderation hergestellt wurde. Der Plan wurde verworfen, Shinzon aber errettet. Und nun ist er zurück, um die Macht an sich zu reißen. Am Ende von »Star Trek: Nemesis« steht die Enterprise kurz vor der völligen Zerstörung; ein Happy End ist mehr als fraglich ...

In der Tat ist »Star Trek« inzwischen ein riesiges Kraftwerk für Mythen- und Selbstverwertung geworden. So findet man die naiven Friedensappelle, die seit der alten Fernsehserie bekannt sind (»all races can be united«), ebenso wie den ewigen Diskurs darüber, ob Maschinen nicht doch die besseren Menschen seien, die Betonung einer abstrakten Form von Familie als Keimzelle der Demokratie ebenso wie die Welt des »Bösen«, die meist ein spiegelverkehrtes, dunkles Abbild der »guten« Familie ist.

Das Schöne an der »Star Trek«-Serie als Teil der Popkultur ist bei gleichzeitiger Geschlossenheit des Systems die Offenheit desselben für Lesarten. Man kann, wenn mal will, endlos über den auch in diesem Sequel wieder virulenten Versuch von Außenseitern, in die Gesellschaft einzudringen, diskutieren. Oder über das natürlich auch aus der »Next Generation«-Serie bekannte Doppelgänger-Motiv, das auf zwei Arten durchgespielt wird, einmal als im wörtlichen Sinne genommene Verdoppelung, einmal als Spaltung des Ichs in einen guten und einen bösen Teil. Die Frage, die Jan Distelmeyer nach der Bedeutung von Fantasy in Krisenzeiten stellt, ist auch hier von Relevanz. Tatsächlich erschienen die großen literarischen Doppelgänger-Entwürfe in einer Zeit tiefgreifender sozialer, technischer, wirtschaftlicher und politischer Umbrüche. Und »Star Trek« ist wieder einmal ganz nah am Puls der Zeit, denn wird nicht Amerika seit einiger Zeit von diversen Doppelgängern heimgesucht? In der Politik von George Bush Jr., im Showbusiness von Liza Minnelli, die in ihrem Comeback-Konzert ihrer Mutter Judy Garland auf geradezu gespenstische Weise ähnelt?

Aber man muss sich nicht mit Gedanken über den Eskapismus des Genres belasten, denn »Star Trek« hat schon immer als Spaß für die ganze Familie funktioniert und nimmt sich glücklicherweise nicht so ernst wie die »Star Wars«-Serie. Dafür sorgt etwa Data, wenn er zur Hochzeit vor einer Landschaftsfototapete den Evergreen »Blue Skies« zum Besten gibt. Die Zitate sind unaufdringlich, die Schauspieler mit Spaß bei der Sache, die Guten sind gut, die Bösen sind nicht zu böse und doch angemessen gruselig. Und im Gegensatz zu »Star Wars« ist der Film nie langweilig – was will man mehr? Eigentlich nur einen Gastauftritt von Lieutenant Uhura als Botin aus dem Jenseits.

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