Kritik zu The Spirit
Frank Miller belebt eine Comiclegende auf der Leinwand: Der ermordete Polizist Denny Colt ist auf mysteriöse Weise wiedergeboren worden und huscht nun als maskierter Verbrechensbekämpfer durch die dunklen Straßen von Central City
Der Comic-Held Spirit wurde 1940 von dem New Yorker Zeichner Will Eisner ersonnen und zu Papier gebracht. 12 Jahre lang wurden die Abenteuer von Denny Colt in amerikanischen Zeitungen und Comicmagazinen veröffentlicht. Auch die Filmadaption von Frank Miller, der schon oft müde gewordene Comiclegenden wie »Batman« revitalisiert hat, spielt in den Vierzigern und huldigt so auch der Naivität dieser Epoche. Central Citys größter Bösewicht hört auf den Namen Octopus und wird diabolisch verkörpert von Samuel L. Jackson. Er und seine reizende Gehilfin Silken Floss (Scarlett Johansson) sind äußerst modebewusst und schlüpfen für jede ihrer schurkischen Missionen in ein neues Outfit. Ihre prunkvollen Kleiderkollektionen reichen von Samurai-Gewändern über protzige Pelzmäntel im Zuhälterschick bis hin zu pechschwarzen Naziuniformen, die als Personifizierung des ultimativen Bösen fungieren.
Wie schon Robert Rodriguez in »Sin City« – der von Miller als Co-Regisseur formal überwacht wurde – versucht Miller, die stilisierten Bilder der Vorlage eins zu eins auf die Leinwand zu übertragen. Das Resultat ist äußerst artifiziell. Wer Millers Bildsprache nicht verinnerlicht hat, seine bahnbrechenden Comicbände »The Dark Knight Returns« oder »Sin City« nicht mag, wird mit »The Spirit« seine Schwierigkeiten haben. Als eigenständige Comicadaption mit aktueller Relevanz wie etwa »Dark Knight« funktioniert der Film nicht.
»The Spirit« wirkt so künstlich wie ein abgefilmtes Theaterstück, in dem die Akteure aber wie Comicfiguren agieren. Egal, was ihnen auf den Kopf gefallen ist, sie stehen immer wieder auf und sind in der nächsten Szene genauso motiviert wie der Cartoon-Coyote Carl, der unverdrossen dem blitzschnellen Roadrunner hinterherjagt. Scarlett Johansson, Samuel L. Jackson und Eva Mendes (als verführerische Juwelendiebin) werden zu überlebensgroßen Comicfiguren, die sich lustvoll in trivialen Popkultur-Klischees aalen.
In der Reduktion aufs Wesentliche, im Spiel mit den Extremen liegt die Stärke und Schönheit von Millers Bildern. Jede Einstellung des Films kann man sich als gerahmtes Bild in einer Pop-Art-Galerie vorstellen. Die blonde Scarlett in einer schwarzen SS-Uniform vor knallrotem Hintergrund: Eben noch hat Woody Allen sie in einem leichten Sommerkleid durch Barcelona schlendern lassen; jetzt bei Miller ist sie zu einem schwarzen Todesengel mutiert, vor dem man niederzuknien hat. Auch der schwarze Jackson schlüpft in die Naziuniform, quält kleine süße Kätzchen und schwingt wild gestikulierend Reden von der Weltherrschaft – bevor er von einem gigantischen steinernen Reichsadler begraben wird. Schon in den vierziger Jahren, der Geburtsstunde der bunten Bilderheftchen, waren Nazis beliebte Bösewichte in amerikanischen Comics. Die Figur des Superhelden Captain America wurde damals nur ersonnen, um den deutschen Diktator zu verdreschen. Frank Millers Film ist eine vom kompromisslosen Stilwillen seines Schöpfers geprägte Huldigung an die Wurzeln der amerikanischen Comic-Kultur.
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