Kritik zu Sommerfest
Zurück zu den Wurzeln: Frank Goosens Heimatroman bietet Sönke Wortmann die Steilvorlage für eine amüsante, wehmütige, manchmal auch etwas zu bemühte Liebeserklärung ans Ruhrgebiet
Ein Vierteljahrhundert ist es her, seit drei hoffnungsvolle Schauspielaspiranten sich von Armin Rohdes unvergesslichem »Bierchen« nach München kutschieren ließen, um dort das pralle Leben zwischen Gosse und Boheme kennenzulernen. Den Mief des Ruhrpotts wollten sie damals unbedingt hinter sich lassen, die »Kleinen Haie« – das wahre Leben schien diesen jungen Männern nur in der Großstadt möglich. Sönke Wortmann, selbst ein Kind des Ruhrgebiets und am Anfang einer für deutsche Verhältnisse sensationellen Karriere, verarbeitete damals autobiografische Erfahrungen und zog dann auch selbst in die Welt hinaus, drehte Hits wie »Der bewegte Mann« und »Das Wunder von Bern«. In Hollywood allerdings holte er sich eine blutige Nase.
Nun sind sie alle älter geworden: Wortmann, der wieder in Nordrhein-Westfalen lebt. Der Schriftsteller Frank Goosen, der seiner Heimatstadt Bochum ein literarisches Denkmal nach dem anderen setzt. Und auch Stefan Zöllner (Lucas Gregorowicz in einer Variation seiner »Lommbock«-Rolle), sozusagen ein in die Jahre gekommener Kleiner Hai, in Bochum aufgewachsen, heute in München. Am Anfang von »Sommerfest«, einer weitgehend getreuen Adaption von Goosens Roman, sieht man ihn in einer sehr modernen Interpretation der »Räuber« auf der Bühne stehen. Allerdings, es ist nur eine Nebenrolle, und Stefans Zukunft als Schauspieler steht in den Sternen. Sein Vertrag am Theater wurde nicht verlängert, und seine fast schon letzte Hoffnung ist ein anstehendes Casting für eine TV-Seifenoper. Dazwischen platzt eine traurige Nachricht: Stefans Vater, den er seit zehn Jahren nicht mehr gesehen hat, ist gestorben. Noch im wilden Bühnen-Outfit setzt sich Stefan in den Zug nach Bochum, wo er übers Wochenende mal schnell die Formalitäten erledigen will, um montags wieder in München zu sein. Man muss kein Drehbuchprophet sein, um zu wissen, dass es anders kommen wird.
Denn die Heimat hat einen ganz anderen Geruch, wenn man später im Leben zurückkehrt. Wenn die anderen wissen, wer du bist, sagt Stefan einmal sinngemäß, dann bist du zu Hause. Sehr schön fängt Wortmann Stefans eigenartigen Konflikt zwischen Fremdheit und Vertrautheit ein, wenn der Heimkehrer vor dem typischen Ruhrpott-Arbeiterhäuschen steht, aus dem er kommt und in das er nie zurückwollte. Drinnen findet er ungezählte Spuren: vom Tod des Vaters, den es ganz plötzlich aus dem Leben gerissen hat, und, eine Etage höher, von seiner Kindheit und Jugend, die in seinem alten Zimmer noch ganz gegenwärtig ist. So authentisch, so lebensnah und berührend wird der Film nicht mehr sein, wenn er sich anschließend dazu aufschwingt, eine allumfassende Hymne auf das Ruhrgebiet zu singen. Ein schillerndes Ensemble fährt er auf, um das typische Lokalkolorit in die dünne Story zu pressen: schräge Vögel in Ballonseide, alte Freunde mit Eheproblemen, junge Kicker mit Profivertrag, die »Omma« vom Büdchen, eine Mandy, die nicht aus dem Osten kommt, aber gut singen kann – und eine alte Liebe (Anna Bederke), nach der jeder fragt und in der selbstverständlich noch jede Menge dramaturgisches Potenzial schlummert.
Die unbeschwerte Echtheit, die einst die »Kleinen Haie« auszeichnete, fehlt dem »Sommerfest« trotz unbestrittener Nähe und Liebe zum Sujet. Wortmann findet immer wieder hübsche Szenen und Momente, aber erstaunlich viele seiner Typen wirken konstruiert und nah am Klischee. Noch überraschender ist, wie geradezu akademisch das Drehbuch die Figuren das Thema »Ruhrgebiet« verhandeln lässt. Da wird während einer Autofahrt minutenlang über den Charakter der Region gesprochen, und einer von Stefans Freunden ist praktischerweise Leiter eines Bergbaumuseums, was den einen oder anderen historischen Exkurs und diverse wehmütige Dialoge über den Wandel der Zeiten rechtfertigt. So hätte der Film auch »Alles über Bochum« heißen können. Es fehlt eigentlich nur der Song von Herbert Grönemeyer.
Kommentare
Zu grob im Wortlaut und die
Zu grob im Wortlaut und die Handlungen zu überzogen.
Es gab auch witzige Szenen
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