Kritik zu A Rainy Day in New York

© NFP/Filmwelt

2019
Original-Titel: 
A Rainy Day in New York
Filmstart in Deutschland: 
05.12.2019
L: 
92 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Für seinen 49. Film kehrt Woody Allen wieder nach New York zurück, und auch sonst ist vieles ganz wie gehabt: Selbstverliebte, neurotische Männercharaktere, die viel reden und weniger handeln. Die Behandlung der Frauenfiguren jedoch irritiert

Bewertung: 2
Leserbewertung
4
4 (Stimmen: 1)

Was für eine Ballung von Stars, was für ein Fest selbstbezüglicher Nostalgie. Eingestimmt von den ersten Tönen des jazzigen Soundtracks, begibt man sich in Allens 49. Film mit derselben Vorfreude wie in ein behagliches Stammlokal, in dem die bewährten Gerichte auf der Karte zu finden sind. Im Zentrum steht mit Gatsby (Timothée Chalamet) und Ashleigh (Elle Fanning) ein attraktives Liebespaar, das an einer – fiktiven – Eliteuniversität studiert. Ashleigh, Redakteurin der Unizeitung, bekommt die Chance, in Manhattan ein Interview mit Starregisseur Pollard (Liev Schreiber) zu führen. Gatsby, der ohne großen Elan vor sich hin studiert, will seine enthusiasmierte Freundin begleiten und mit ihr ein romantisches Wochenende in New York verbringen. Doch Ashleighs Interviewtermin führt zu weiteren Treffen mit anderen Promis, die zu gut sind, um sie sausen zu lassen. Stattdessen lässt sie Gatsby buchstäblich im Regen stehen. Auch er treibt von Begegnung zu Be­gegnung und trifft immer wieder auf ­Shannon (Selena Gomez), die jüngere Schwester einer einstigen Flamme.

Chalamet, Fanning und Popstar Gomez sind die wohl jüngsten Stars, mit denen Allen je gedreht hat. Zugleich wird der dandyhafte Gatsby Welles schon durch seinen Namen als Sprachrohr der aus zig Filmen bekannten Vorliebe des 84-jährigen Regisseurs für Künstler aus einer vergangenen Ära gekennzeichnet. Wie andere Allen'sche Helden gefällt sich auch Gatsby mit seiner Tweedjacke und seiner Schwärmerei für die gute alte Zeit als nonkonformistischer Außenseiter. Anders als in »Midnight in Paris«, wo der Held nur im Traum aus der Gegenwart in seine Lieblingsepoche transportiert wurde, huldigt Allen nun mit Hilfe seines Kameramanns Vittorio Storaro und dessen schwelgerischen New-York-Ansichten einem reuelosen Anachronismus. Man befindet sich zwar in der Smartphone-Gegenwart, doch Gatsby bewegt sich innerhalb eines aus wenigen pittoresken Orten bestehenden Bannkreises, dessen Straßen romantisch grau verregnet und dessen Innenräume – Bars, Museen, die Brownstone-Häuser des Geldadels – in honigwarmes Licht getaucht sind und wie aus der Zeit gefallen wirken.

Timothée Chalamet als junge Verkörperung von Allens altbekannter Leier ist in seiner nervösen Unruhe ziemlich charmant, und wenn er auf dem Klavier klimpert und etwas singt, das sich wie von Cole Porter anhört, sogar umwerfend. Auch Ashleigh ist in ihrer großäugigen Tussihaftigkeit ein Anachronismus: ein gespielter Blondinenwitz, der an schlechte Filme aus den Fünfzigern erinnert. Man muss gar nicht wissen, dass Allen in den USA im Zuge der #MeToo-Bewegung erneut von Kindesmissbrauchsvorwürfen von 1992 (die nie bewiesen wurden) eingeholt wurde und sein Film dort nicht ins Kino kommt, um diese überspannte Frauenfigur, die von weit älteren Männern belagert wird, verstörend zu finden. Mal auf der Höhe des Diskurses, mal Klein-Doofi, mal professionell, mal hyperventilierendes junges Ding, ist dieser Charakter so albern und inkohärent, dass selbst Elle Fanning nichts ausrichten kann. Auch ihr cooler Gegenentwurf, Selena Gomez als Shannon, bekommt von Allen derart »bitchy« Sätze über die ihr völlig unbekannte Ashleigh in den Mund gelegt, dass man seinen Ohren nicht traut. Schlecht riechende Herrenwitze und eine Mutterfigur, deren hastiges Geständnis ­lediglich dramaturgischen Gründen geschuldet scheint, verstärken den Eindruck, dass bei Allen tatsächlich etwas aus dem Gleis geraten ist. Ist dieser misogyne Filmemacher immer noch der Regisseur von Komödien wie »Stadtneurotiker«, für die er so großartige Figuren wie Annie Hall entwarf?

Ästhetisch ist seine nostalgietrunkene Beschwörung eines New York, wie es stets nur in Allens Vorstellung bestand, ein großes Vergnügen. Doch sein Versuch, Romantik und eine Komik, die zulasten der Frauencharaktere geht, zu einer Liebesgeschichte zu schmieden, erzeugt ein unangenehmes Knirschen.

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