Kritik zu Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind
New York der 20er Jahre: Erfolgsautorin Joanne K. Rowling erdachte ein neues Fantasy-Abenteuer und den Start einer zweiten Serie, in der sich das Harry Potter-Universum in Zeit und Raum weiter ausdehnt
2001 wurde unter dem Pseudonym Newt Scamander das Büchlein »Phantastische Tierwesen & wo sie zu finden sind« veröffentlicht. Es handelte sich um die reale Manifestation eines Lehrbuchs, das in den »Harry Potter«-Romanen auf der Lektüreliste für die Hogwarts-Zauberlehrlinge Erwähnung fand. Joanne K. Rowling hatte das Buch-im-Buch mitten in der Arbeit am fünften Potter-Roman nebenbei geschrieben und die Einnahmen gespendet.
Dieser locker daherfabulierende Tolkien-Esprit ist manchmal auch im neuen Film spürbar. Darin reist der naive Magiezoologe Newt Scamander 1926 mit einem Koffer voller magischer Kreaturen per Schiff nach New York. Dort gelingt es ihm zwar, den Zoll auszutricksen. Doch kurz danach büxen die Tiere aus und stiften Chaos. Nicht nur dadurch wird das Zusammenleben von Muggels, in den USA »No-Majs« genannt, und den sich in der magischen Parallelwelt versteckenden Zauberern dramatisch gestört.
Statt als Prequel bezeichnete Rowling, die zum ersten Mal selbst das Drehbuch verfasste, ihr Harry-Potter-Spin-off als Fortsetzung. Jedenfalls musste sie in diesem Serienstart genug Saat für vier weitere geplante Filme legen. So werden recht hektisch mehrere rote Fäden verzwirbelt: Scamander muss mit Tina, einer Mitarbeiterin des MaCUSA-Zaubererkongresses und dem zufällig in die Geschichte hineingeratenen No-Maj Kowalski die Tiere wieder einfangen; die Stadt wird von unerklärlichen Ereignissen heimgesucht; No-Maj-Fanatikerin Marie Lou Barebone agitiert mit ihrer den »Zeugen Jehovas« ähnelnden Truppe aus verstörten Adoptivkindern gegen Hexen; und neben dem dubiosen MaCUSA-Beamten Percival Graves mischen auch Zeitungsmagnat Shaw und seine Söhne mit. In abgewandelter Form finden sich die aus »Harry Potter« bekannten Leitmotive und auch die Botschaften von Toleranz und Antirassismus wieder und werden mit tierschützerischen und antikapitalistischen Anspielungen weiter in Richtung »pädagogisch wertvoll« ausgebaut. Daneben gibt es Berührungspunkte mit anderen Fantasy-Dauerwürsten wie »X-Men«.
Doch Regisseur David Yates, der in den letzten vier »Potter«-Filmen eine charakteristisch düstere Handschrift entwickelt hatte, gibt dem Film ein eigenständiges Gepräge und verwebt gekonnt historischen Realismus mit märchenhaftem Eskapismus. Das detailreich ausgeschmückte Roaring-Twenties-Milieu kontrastiert mit CGI-Fantasy, und durch magische Schlupflöcher gelangen die drei Hauptfiguren in psychedelisch anmutende Tierparadiese.
Dass Rowlings augenzwinkernder Humor meist auf der Strecke bleibt, liegt aber nicht nur an der kurzatmigen Inszenierung. Eddie Redmayne, der erste erwachsene Rowling-Held, ist als nerdiger Scamander eine Ansammlung nervtötender Manierismen und viel zu affektiert, um komisch zu sein. Seufzend erinnert man sich an den ebenso tiernärrischen, aber kernigen Kollegen Hagrid. So steigt der liebenswürdige Muggel Kowalski zum eigentlichen Sympathieträger des Zauberer-Epos auf. Ob das im Sinne der Erfinderin war?
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