Kritik zu Noseland
Ein Film zwischen allen Genres, der sich über klassische Musik, deren Publikum, vor allem aber sich selbst lustig macht
Was ist das nur für ein Film? Für eine Dokumentation ist er zu albern. Für einen Spielfilm gibt es zu wenig inszenierte Szenen, und auch beim Drehbuch lässt vieles zu wünschen übrig. Ein Mockumentary hingegen ist es auch nicht, denn fast alles in diesem Film ist wahr und hat sich so oder etwas anders tatsächlich zugetragen. Ein Image-Film aber ist es erst recht nicht, dafür macht er zu wenig direkte Werbung. Noseland von dem deutsch-russischen Geiger, Komponisten, Dirigenten und Schauspieler Aleksey Igudesman ist in erster Linie einzigartig. Ein pfiffiges Experiment, frech, witzig und ohne jede Ehrerbietung.
Aleksey Igudesman hat 2010 seinen Freund, den Stargeiger Julian Rachlin, zu seinem alljährlich in der kroatischen Küstenstadt Dubrovnik stattfindenden »Julian Rachlin & Friends Festival« begleitet und innerhalb von 14 Tagen einen Film gedreht, der vor allem dem Prinzip folgt, Interviews mit prominenten Musikern und Schauspielern wie John Malkovich oder Roger Moore zu führen, die dann im Lauf des Interviews von ihm beleidigt werden. Außerdem zeigt der Film, wie Aleksey Igudesman und Julian Rachlin das Geschehen auf der Leinwand kommentieren und mit trockenem Humor über all das hinweggehen, was eigentlich nicht in den Film gehört. Man merkt, Noseland ist nicht einfach zu fassen.
John Malkovich immerhin, der im Film nicht nur beleidigt wird, sondern auch einen überaus beleidigenden Text über Musiker und ihre Kunst vortragen muss, findet Noseland großartig. Noseland übrigens heißt der Film deshalb, weil Julian Rachlin die Nasenspitzen seiner Mitmenschen so gerne berührt, um herauszufinden, um was für einen Charakter es sich handelt.
Noseland ist eine Doku-Farce, ein Film, der es sich nicht leicht macht, alles und jeden auf die Schippe zu nehmen und darin aber mehr für die klassische Musik im Allgemeinen und das bedrohte Julian Rachlin & Friends Festival im Besonderen tut. Hier lebt die jahrhundertealte Musik neu auf, weil ihre Musiker für sie brennen. Selbst wenn der britisch-koreanische Starpianist Richard Hyung-ki Joo sagt, er habe schon als Kind nie üben wollen und wolle das auch heute noch nicht. Nach dem Interview aber übergießt er Aleksey Igudesman mit Wasser. Spätestens da ahnt man, dass die beiden mehr verbindet, als sie vorgeben. Tatsächlich haben sie zusammen eine musikalische Comedyshow entwickelt, die unter dem, Titel »A Little Nightmare Music« durch die Welt zieht.
Dazu ist Noseland brillant geschnitten, der kompilierte Hand-Clapping-Rap ist eine akustisch-bildliche Offenbarung, und das Timing ist hervorragend. Als wäre Langeweile die größte Sünde, rauscht Aleksey Igudesman durch das Festival und findet an jeder Ecke einen witzigen Moment. Musikalische Virtuosität scheint ihn überhaupt nicht zu beeindrucken. Und gerade dadurch erweist er ihr den größten Dienst.
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