Kritik zu Motel Destino
Ein Stundenhotel wird zum Ort des Verlangens und einer erotischen Dreiecksgeschichte à la »The Postman Always Rings Twice«
Im Nordosten Brasiliens ist die brütende Hitze so beständig wie der strahlend blaue Himmel grenzenlos. Der Strand, an dem der 21-jährige Heraldo (Iago Xavier) mit seinem älteren Bruder Jorge herumtobt, bevor sie sich in den Fluten abkühlen, erscheint paradiesisch. Trotzdem oder gerade deswegen will Heraldo weg, in die Metropole São Paulo, ein neues Leben aufbauen. Doch so leicht lässt ihn die Drogenbossin und Hobbymalerin Bambina, die ihn unter ihre Fittiche genommen hat, nicht gehen. Ein letzter Auftrag läuft dann gehörig schief, sein Bruder wird dabei getötet. Auf der Flucht vor Polizei und Komplizen landet Heraldo schließlich in einem schmierigen Stundenhotel abseits des Highways mit dem klingenden Namen »Motel Destino«. Eine schicksalhafte Absteige, in der die kleinen Tode der Liebespaare durch die dünnen Wände tönen und die realen fast geräuschlos stattfinden.
Der dubiose Hotelbetreiber Elias (Fábio Assunção) sieht in dem Neuankömmling eine billige Arbeitskraft, einen Handlanger für dies und das. Elias' Frau Dayana (Nataly Rocha) findet schnell Gefallen an dem hübschen Bengel, der so ganz anders ist als ihr brutaler Ehemann. Der Junge lässt sich auf eine Affäre mit der Chefin ein. Elias tut zunächst so, als wisse er von nichts. Und in den verwinkelten Gängen des Motels mit seinen schmuddeligen Zimmern mit den geheimen Gucklöchern und den Überwachungskameras nimmt eine fatale Dreiecksgeschichte ihren Lauf, die der in Berlin lebende brasilianisch-algerische Regisseur Karim Aïnouz (»Zentralflughafen THF«) mit schamfreiem Gusto in Szene setzt.
Nach einem Ausflug ins Angelsächsische mit dem Historiendrama »Firebrand« (und Jude Law als verfettetem Heinrich VIII.) kehrt der 58-jährige nun nicht nur in seine Heimatregion Ceará im Nordosten Brasiliens zurück, sondern auch zu Themen und Ästhetiken, denen er sich bereits 2014 im queeren Neo-Melodram »Praia do Futuro« mit Wagner Moura und Clemens Schick widmete. Mit der sexuell aufgeladenen Dreiecksgeschichte zelebriert er ein Kino der Körper, in dem Verlangen und Begierde auf jeder Ebene spürbar sind. Damit läutet der Film eine Renaissance des erotischen Kinos ein. Im Vergleich zu den demnächst anlaufenden »Baby Girl« und »Emmanuelle« ist er deutlich schmutziger und schwitziger und schließt kriminelle und sexuelle Energien kurz. Aïnouz zeigt ein hedonistisch-derangiertes Eden, das sich um die Moral in der Welt draußen wenig schert. Als Ausdruck einer Lebensgier nach dem Ende der rechtsextremen Bolsonaro-Regierung, so Aïnouz bei der Weltpremiere im Mai, glänzt dieser Neo-Noir vor allem in seiner surreal überhöhten Ästhetik und den aufgeladenen Bildern von Hélène Louvart, in denen die dunklen Schatten durch sonnendurchflutete Szenerien, knallige Farben und schwitzende Körperlichkeit ersetzt wurden.
Aïnouz arbeitet bereits an seinem nächsten Film, nun wieder in Europa. Derzeit finden in Barcelona die Dreharbeiten zu »Rosebud Pruning« statt, unter anderem mit Elle Fanning und Pamela Anderson vor der Kamera.
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