Kritik zu Praia do Futuro

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Von den Stränden Brasiliens ins kalte Berlin: Karïm Ainouz (Madame Sata) erzählt eine schillernde Geschichte über Tod und Liebe, Familie und Freundschaft

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Wie entfesselt kreisende Windkrafträder zerschneiden das flimmernde Blau des Himmels. Im Licht der strahlenden Sonne jagen zwei Motocross-Maschinen über die Dünen. Die hügelige Sandlandschaft und der Himmel wirken beinahe endlos. Allein die beiden Motorradfahrer in ihren Lederanzügen haben eine Richtung, ein Ziel: Praia do futuro, den Strand und das Meer, in das sie wenig später stürmen werden.

Jahre später in Deutschland. Wieder sind es zwei Motorräder. Jedoch drei Männer, auf dem Weg zurück nach Berlin, weg vom Meer, das sich – es war Ebbe – beinahe ins Unendliche zurückgezogen hatte. Die Landschaften am Rand der perfekt ausgebauten Schnellstraße verschwimmen sanft im Nebel. Die Sonne über den Feldern ist nur ein kraftlos glühender roter Ball. Selbst die Bremslichter der Maschinen strahlen heller. Die Kamera ist nah dran an den dreien, folgt ihnen. Irgendwann fällt sie aber zurück und entlässt die drei Männer in den Nebel und eine Zukunft, in der wieder alles möglich ist.

Es sind geradezu magische Momente, mit denen Karim Aïnouz’ Praia do Futuro beginnt und endet. Aus dem Zusammenspiel von Landschaft und Bewegung entstehen Bilder von einer schier überwältigenden Schönheit. Zu Anfang reiner Pop, wild drängend und vorwärtstreibend, aber auch ein wenig todessehnsüchtig; am Ende dann leicht elegisch, voller Poesie und romantisch wie ein Gemälde von Caspar David Friedrich. Dazwischen liegt eine schillernde Geschichte von Tod und Liebe, vom Sich-Verlieren und Wiederfinden.

Einer der beiden Motorradfahrer wird nicht an den Strand zurückkehren. Die tückischen Strömungen am Praia do futuro ziehen ihn in die Tiefe, in der er für immer verschwindet. Sein Freund Konrad (Clemens Schick), der in Berlin eine kleine Motorradwerkstatt hat, wird von dem Rettungsschwimmer Donato (Wagner Moura) an Land gezogen. Ein heroischer und doch tragischer Augenblick. Zum ersten Mal konnte Donato, der von seinem kleinen Bruder Ayrton, einem Superhelden-Fan, immer nur »Aquaman« genannt wird, jemanden nicht retten.

Von nun an kettet den Rettungsschwimmer ein unsichtbares Band an den »Ghost Rider« Konrad. Gleich in der ersten Nacht gibt Donato sich ihm im Auto hin. Später wird er ihm nach Berlin folgen und dort bleiben. Fremd und isoliert, bis schließlich der mittlerweile 18-jährige Ayrton (Jesuíta Barbosa) in der kalten deutschen Metropole auftaucht. Auch er ist nun ein Superheld, der von seinem Bruder verlassene »Speed Racer«.

Karim Aïnouz treibt ein faszinierendes Spiel mit Andeutungen und Auslassungen. Vielleicht sind seine drei Protagonisten tatsächlich Superhelden, nur eben nicht im typischen Sinne. Alle Comichelden sind zuallererst Einsame, von den Menschen, die sie schützen, durch einen Riss getrennt. Aïnouz destilliert aus dieser Einsamkeit eine eigene Welt, ein Schattenreich, in dem Aquaman, Ghost Rider und Speed Racer lange Zeit verharren müssen. So ist Praia do Futuro ein Film aus der unendlichen Tiefe des Risses, den klassische Superheldenfilme so konsequent mit Action und Heroismus verdecken.

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