Kritik zu Louise und die Schule der Freiheit

© Neue Visionen Filmverleih

Nach »À la carte« veranschaulicht Erfolgsregisseur Éric Besnard mit der Geschichte einer Lehrerin, die auf dem Land eine Schule gründet, abermals eine historische Fußnote: die Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht

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Eine für alle zugängliche kostenlose Schulbildung gehört zu den größten Errungenschaften eines modernen Gemeinwesens. Besonders in Frankreich bildet die Schulpflicht – zusammen mit Wahlrecht und Wehrpflicht – die Säulen der Republik. Dieser Film, der 1889 eine Lehrerin aufs Land ziehen lässt, um Bauernkinder zu unterrichten, reiht sich ein in die Porträts heroischer Lehrer, die im französischen Kino einen Ehrenplatz einnehmen. Der bekannteste ist wohl der Dorfschullehrer im Dokumentarfilm »Sein und Haben« (2002). Die Mission von Louise Violet aber führt sie in feindliches Gebiet. Als alleinstehende Frau aus dem fernen Paris erregt sie Anstoß und Argwohn. Der Wert, den man ihr zumisst, zeigt sich in ihrer Unterkunft, einem Stall auf dem Anwesen von Bürgermeister Joseph. Dort wartet sie täglich vergebens auf Schüler. Erst als Joseph, der sich für Luise erwärmt, aktiv wird, trudeln die Kinder ein und folgen begeistert Luises Unterricht. Natürlich.

Regisseur Éric Besnard bleibt sich nicht nur mit seinem männlichen Hauptdarsteller Grégory Gadebois treu. Gadebois verkörperte bereits in »À la carte« und »Die einfachen Dinge« einen knorrigen Eigenbrötler, naturverbunden und voll philosophischer Weisheit. Die Heldin ist wie in »À la Carte«, wo es im Zuge der Revolution um die Entstehung der bürgerlichen Restaurantkultur ging, eine selbstbestimmte, jedoch von einer mysteriösen Tragödie gezeichnete Frau. Alexandra Lamy, zurückhaltend, streng und doch voll innerem Feuer, ist großartig – leider aber mehr Ideal als ausgeformter Charakter.

Besnard zeichnet einerseits das stimmungsvolle Panorama eines Landstrichs – Drehorte sind pittoreske Dörfer im Département Haute-Loire –, andererseits das eines von Jahreszeiten getakteten, fast archaischen Daseins. Kinder sind unverzichtbare Helfer bei der Feldarbeit, doch das ist nicht der einzige Grund, weshalb ihre Eltern wenig geneigt sind, sie in die Schule zu lassen. Trotz dieser Details bleibt der Film eine etwas verkopfte Fortschrittsbeschwörung, was sich auch im pathetischen deutschen Titel »Schule der Freiheit« niederschlägt. Denn Bildung ist hier eben auch von oben verordnet, also Zwang. Und der erzählerische Abstecher zur Pariser Kommune und den sozialistischen Ideen Pierre-Joseph Proudhons dürfte nicht nur deutsche Zuschauer etwas überfordern. Die Konflikte wirken teils konstruiert, die Kinder blass, während den Hauptdarstellern anachronistisch klingende Sätze in den Mund gelegt werden.

So gerinnt dieser Film über eine Lehrerin oft selbst zum pädagogisch beflissenen Lehrfilm, in dem zwar Aspekte der Schulpflicht angetippt, jedoch ihre realen Auswirkungen nicht gezeigt werden. Die Asymmetrie zwischen Kopf, Herz und Hand tritt in der Inszenierung unbeabsichtigt durch Josephs Initiative, mit der neuen Lehrerin reihum die Eltern zu besuchen, zutage. Respekt erwirbt Luise erst durch Annäherung und tatkräftige Hilfe. Ungeachtet seiner allzu prononcierten Gutgemeintheit ist der Film aber überaus anregend – schon weil er mit dem Gegensatz zwischen Stadt und Land, Theorie und Praxis auf die Gegenwart ­verweist.

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