Kritik zu Longlegs

© DCM

2024
Original-Titel: 
Longlegs
Filmstart in Deutschland: 
08.08.2024
V: 
L: 
101 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Im Nostalgie-Horrorthriller von Osgood Perkins treibt ein Serienkiller im Kanada der 90er Jahre sein offenbar okkultes Unwesen – gejagt von einer FBI-Agentin, mit der ihn etwas verbindet

Bewertung: 4
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 1)

Munter schreitet die Nostalgie von den 80ern in die 90er Jahre. Für das Horrorgenre bedeutet das eine neue Fülle an Kindheitserinnerungen, die aus der Vertrautheit und Lieblichkeit in die Sphäre des Unheimlichen geführt werden.

In Osgood Perkins' (Sohn von Anthony Perkins) Film schlachten sich, einem diffusen Muster folgend, Familien mit jungen Töchtern scheinbar selbst ab, denn ein Eindringen von außen ist nicht festzustellen. Codierte Briefe bleiben an den Tatorten zurück, hinterlassen von einem Killer, der sich »Longlegs« nennt. Maika Monroe spielt Harker Lee, eine junge FBI-Agentin, die sich wahnhaft der Jagd nach Longlegs verschrieben hat. Aus viel mehr besteht ihr Leben nicht, nur ihre Mutter ist da noch. Zwischen den beiden ist wenig Wärme, aber eine familiäre Schicksalsverbundenheit. Mit ihrem Vorgesetzten Carter (Blair Underwood) ermittelt Harker im Fall Longlegs. Der Mörder legt makabre Spuren, scheint beinahe gefangen werden zu wollen. Und es wird deutlich, dass er es in besonderem Maße auf Harker abgesehen hat, denn zwischen Killer und Ermittlerin gibt es eine alte, lang verdrängte Verbindung.

Harkers Spürsinn berührt das Übernatürliche, »hochintuitiv« anstatt telepathisch nennen ihre Kollegen das. Und auch die Morde erweisen sich zunehmend nicht nur als Werke des Wahnsinns und Hasses, sondern bekommen eine satanische Note. Es ist eine schlimme, hermetische Welt, die sich im Lauf des Films noch weiter zu verengen scheint. Einer jener Filme, bei denen man irritiert ist, wenn die Welt außerhalb des Kinos sich wieder als schön erweist.

Verdientermaßen selbstbewusst bewegt sich »Longlegs« im Fahrwasser von Filmen wie »Das Schweigen der Lämmer«, »Seven« oder »Zodiac«, allein schon damit, dass der Killer früh in Erscheinung tritt. Es ist Nicolas Cage, maskenbildnerisch entstellt und im hysterischen Okkultwahn, voller nervöser Gewalt, mit Fistelstimme und viel Glamrock. Dass die Motivation hinter den Morden etwas wirr gerät, fällt nicht weiter ins Gewicht angesichts der kalkulierten Sogwirkung dieses Schauspiels.

Der Serienmördersuche das Übernatürlich-Okkulte beizumischen, erfindet das Rad nicht neu, aber Perkins weiß, was daraus zu machen ist. Er verweilt in beunruhigenden Einstellungen auf verschiedenen Filmformaten, die dem Schrecken etwas Historisch-Authentisches verleihen. Strengste, kubrick­eske Kompositionen im Weitwinkel und ein langsamer Zoom, der beinah den ganzen Film durchzieht, schaffen eine Paranoia, die nichts von dem, was wir sehen, noch eine Unschuld zugesteht.

Dazu zählen prominent platzierte Bill-Clinton-Porträts, High-Waist-Hosen, Rollkragenpullover, Kabeltelefone; Dinge, die allen zwischen 25 und 45 etwas über ihre Kindheit erzählen. Im sich langsam herausschälenden Kern handelt »Longlegs« vom Generationenverhältnis zwischen diesen Menschen und ihren Eltern, vor allem der externalisierten Gewalt, die jenen ein gutes Leben bereiten soll. »Longlegs« ist dabei kein verkopfter »elevated horror«, sondern genießt durchaus seine Schauwerte und geschickt gesetzten Schocks neben der Verknüpfung seiner Themen mit schrecklicher Gewalt.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt