Kritik zu Joan Baez – I Am a Noise

© Alamode Film

2023
Original-Titel: 
Joan Baez – I Am a Noise
Filmstart in Deutschland: 
28.12.2023
L: 
113 Min
FSK: 
12

Über zehn Jahre nach Mary Whartons Joan Baez. »How Sweet the Sound« versucht eine neue Dokumentation, Leben, Werk und Wirkung von Joan Baez zu umreißen

Bewertung: 4
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Jede Person, die so bekannt ist wie Joan Baez, so heißt es zu Beginn des Films, führe drei Leben. Ein öffentliches, ein privates und ein geheimes. Zugang zu allen dreien zu bekommen, ist nicht einfach, auch wenn man einander freundschaftlich verbunden ist. Denn es sind die innere Unruhe, die Angst vor der Welt und ein Hang zur Depression, die das Leben von Joan Baez ebenso bestimmten wie musikalische Welterfolge, große Bühnen wie bei Woodstock und eine stets aufrechte Stimme gegen globale Ungerechtigkeiten. Der Film spart nicht mit den bekannten Bildern einer großartigen, immer wunderschönen Frau, die lächelnd den Schlussakkord eines Protestsongs zupft und sich dann verbeugt. Aber er bleibt dabei nicht stehen. 

»Ich war einfach zu verrückt«, sagt sie mit einem Lächeln, als ihr die Worte fehlen, um das Ende einer Partnerschaft zu erklären. »Bob Dylan brach mir das Herz, das muss ich zugeben.« Doch viel mehr erzählt sie nicht. Das private Leben wird geschützt, Einzelheiten bleiben privat, und das ist erstaunlich, denn eine Ebene darunter, wenn es um die dunklen Ecken geht, in denen die Geheimnisse einer überaus erfolgreichen Frau lauern, da wird sie ernst und offen. Erzählt, wie es in ihr getobt hat, als alle von einer friedvollen Ausstrahlung sprachen, wie sie zu kämpfen hatte mit den Dämonen, deren Ursprung sie nicht kannte, und was es oft kostete, auf die Bühne zu treten. Und wie die Musik sie dennoch rettete. Niemand habe gemerkt, wie schlecht es ihr manchmal ging. Die Bühne war Fluch und Rettung zugleich. Hier fühlte sie sich aufgehoben, in den Armen ihrer Fans. »Ich bin nicht gut in Zweierbeziehungen«, sagt sie, »Zweitausend passt mir besser!«

Schon früh hat sie mit ihrer Ukulele und der glockenhellen Sopranstimme ihr Publikum begeistert, erst als kleines Kind, dann als Schülerin und später als Studentin in Boston, doch da war der Folk-»Club 47« ihr schon wichtiger. Platten von Pete Seeger und Harry Belafonte, die sie in ihrem Elternhaus hörte, prägten sie ebenso wie der Rhythm and Blues des schwarzen Amerikas. Sie wurde zur Folk-Ikone und gleichzeitig eine Vorreiterin des linken Widerstands in den USA, kämpfte gegen Rassentrennung und den Vietnamkrieg und für die Rechte der Frauen. All das erzählt der Film und erzählt sie im Film auf unterhaltsame, spannende Weise, und doch ist es nicht das, was »I Am a noise« auszeichnet. Denn anders als Mary Whartons ebenso gelungener Film »Joan Baez. How Sweet the Sound«, der die Künstlerin auf der ausgiebigen 2008–2009-Tour begleitete und zahlreiche Kollegen zu Wort kommen ließ, geht das Regietrio hier weiter. Anhand von Animationen und Tagebucheinträgen wird das schwierige Verhältnis zum Vater, aber auch zu den beiden Schwestern beschrieben, das sie dann offen kommentiert. Ohne Scham spricht sie über psychische Probleme und die Notwendigkeit einer Therapie, die lange Verdrängtes zum Vorschein brachte. Und wenn wir sie dann barfuß mit ihrem Hund am Strand tanzen sehen, dann haben diese Bilder eine ganz andere Kraft.

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