Kritik zu Intrigo: Samaria / In Liebe Agnes
Zwei neue Verfilmungen nach Håkan Nesser sollen unter der Marke »Intrigo« an die »Millennium«-Trilogie anschließen, was schon deshalb schwierig ist, weil sich das Personal der Romane nicht überschneidet
»Glauben Sie, es besteht ein Unterschied zwischen der Liebe und dem Krimi?«, fragt Håkan Nesser in seinen Romanen immer wieder, in »Samaria« offenbart sich die Verbindung aber erst nach einer ganzen Weile. Am Anfang huscht eine Gestalt durchs Dunkel, von der benachbarten Scheune zum Bauernhaus, man vermutet einen Verbrecher, doch es ist nur die junge Filmemacherin Paula, die einen Film über das mysteriöse Verschwinden ihrer Klassenkameradin Vera drehen will, mit durchaus krimineller Energie. Der Vater, der Vera wiederholt misshandelt hat, wurde für den Mord verurteilt, beteuert aber seine Unschuld, eine Leiche wurde nie gefunden. Eine Schlüsselfigur von Paulas Ermittlungen ist Henry (Andrew Buchan), der ehemalige Deutschlehrer der Mädchen. Er verweigert zunächst ein Interview für den Film, als er doch einwilligt, beginnt eine kompliziert verschachtelte Puzzlearbeit, in der das Hin und Her zwischen den Zeiten Spannung erzeugen soll, aber eher unnötige Verwirrung stiftet. Eines ist gewiss, die Dinge sind nicht so, wie sie scheinen.
»Alle Menschen auf der Welt sind mehr oder weniger gleich. Wir alle haben unsere Vorgeschichte und unsere Geheimnisse«, bedeutungsschwanger liegen die Plattitüden über den ersten Bildern jedes Films dieser Nordic-Krimi-Trilogie. Beworben wird sie recht frech als Nachfolger der starken »Millennium«-Trilogie, deren zweiten und dritten Teil auch bereits Daniel Alfredson fürs schwedische Fernsehen gedreht hat. Die Vorlagen der »Intrigo«-Trilogie wurden aus dem literarischen Werk von Håkan Nesser gefischt, sie sind 1996, 1999 und 2000 unabhängig voneinander entstanden. Die Behauptung, »Samaria« sei die Fortsetzung von »Tod eines Autors«, der bereits im Oktober 2018 ins Kino kam, aber ist irreführend, denn verbunden sind die Geschichten, die mit ganz unterschiedlichem Personal verfilmt wurden, lediglich durch das lose übergeordnete Doppelthema Schuld und Rache.
Möglicherweise waren bei der »Millennium«-Trilogie die Vorlagen stärker, die Drehbücher besser, die Dramaturgie ausgefeilter. Jedenfalls präsentiert sich Daniel Alfredson hier nicht als sonderlich inspirierter Regisseur. Am wirkungsstärksten sind noch die wildromantischen Landschaften, allerdings nur als malerische Kulisse, nicht als veritabler Schauplatz. Ansonsten stehen die biedere Erzählweise und die recht hölzerne Darstellung in einem unglücklichen Missverhältnis zur pseudoraffinierten Struktur. Um eine Brücke zwischen den Filmen zu schaffen, treffen sich Beteiligte aus allen Filmen in einem Bistrocafé in Jugendstildesign, das wie die Serie »Intrigo« heißt. Das gilt auch für Agnes und Henny, die Heldinnen des dritten Teils »In Liebe, Agnes«. Ein kranker alter Mann stirbt, seine junge Witwe Agnes (Carla Juri) wird von den erwachsenen Kindern aus seiner ersten Ehe in irrwitzigem Tempo aus dem Haus gejagt. Sie brauche dringend 500 000 Euro, um die beiden Miterben ausbezahlen zu können. Da kommt ihre beste Freundin Henny (Gemma Chan) aus der Jugendzeit ins Spiel, die unter einem lieblosen und gewalttätigen Ehemann leidet, und macht ihr nach vielen Jahren der Funkstille ein unmoralisches Angebot. Auch dieser Film driftet ins Dickicht unglückseliger Verstrickungen von Gegenwart und Vergangenheit. Während der Mordplan voranschreitet, wird in Rückblenden die Mädchenfreundschaft der Jugendzeit eingeflochten, die große Überraschung, die die Geschichte bereithält, erweist sich als recht läppisch und nicht wirklich einleuchtend. Unterm Strich scheint der Hauptgrund, diese drei Geschichten noch einmal mit der Kamera zu erzählen, die ideale Verfilmungslänge von rund 100 Seiten gewesen zu sein. Trotzdem hätte ein inspirierter Regisseur sicher mehr draus machen können.
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