Kritik zu Im Haus meiner Eltern

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Tim Ellrich erzählt in seinem Spielfilmdebüt von einer spirituellen Heilerin, die in ihrer eigenen Familie mit einem Pflegefall konfrontiert wird und sich überfordert fühlt

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In letzter Zeit schaut Holle täglich im Haus ihrer Eltern vorbei. Der betagte Vater und die kränkelnde Mutter sind zusehends überfordert mit der Pflege ihres erwachsenen Sohnes Sven. Vor zwanzig Jahren schon wurde bei ihm Schizophrenie diagnostiziert. Behandeln lassen will er sich nicht.

Das ist die Ausgangssituation des Spielfilm-Regiedebüts von Tim Ellrich, der zuvor schon mit seinem Dokumentarfilm »Mein ​​Vietnam« auf sich aufmerksam machte. Auch »Im Haus meiner Eltern« fühlt sich wie ein dokumentarisches Protokoll an. Der demente Bruder, der autistisch in den Tag hineinlebt, wurde mit dem Laiendarsteller Jens Brock besetzt. In den Rollen von Holles Eltern spielen Manfred Zapatka und Ursula Werner zurückhaltend, beinahe ausdruckslos.

Mit kammerspielartiger Beschränkung schaut der Film durch die Augen der Hauptfigur, die Jenny Schily als gramgebeugte Frau mit Affinität zur Schwermut verkörpert. Detailliert beobachtet wird ihre therapeutische Arbeit als Geistheilerin. Mit pantomimischen Bewegungen entknotet sie die energetische Aura einer unheilbar krebskranken Patientin, die bald darauf stirbt. Nachts kuschelt Holle sich dann vergeblich an ihren Mann. Doch wie ein ungewolltes Echo ihrer esoterischen Therapieform findet auch im Bett keine direkte Berührung statt.

Nein, gut fühlt sich das alles nicht an. Doch schlimmer geht immer. Nachdem ihre Mutter ins Krankenhaus muss, nimmt Holle den pflegebedürftigen Bruder zu sich ins Haus. Ihre Ehe geht daraufhin in die Brüche. Die Mutter dankt es ihr nicht. Im Gegenteil, sie straft die Tochter mit Vorwürfen. In einer Szene jedoch deutet sich zaghaft eine Öffnung an. Ein Psychiater, mit dem sie die Möglichkeiten einer stationären Unterbringung ihres Bruders abklären will, deutet vorsichtig an, dass Holle wohl eine typische hilflose Helferin ist. Doch diese Außenperspektive, die die Hauptfigur in ein anderes Licht rücken würde, bleibt leider nur schemenhaft.

Worum es also geht, wird dem Betrachter schon bald auf beklemmende Weise klar. Es gibt keinen Moment, in dem Holle, ihre Geschwister und ihre Eltern entspannt scherzen würden. Keine Atempause des Leidens. Auch die meist fragmentarisch erscheinenden Bilder zeigen keine wohnlichen Innenräume, in denen man sich vielleicht wohlfühlen könnte. Es gibt keinen liebevollen Blick auf ein Detail, das vielleicht an bessere Zeiten erinnert. Selbst der Garten, in dem Holle einmal nach ihrem entlaufenen Hund ruft, erscheint wie ein konturloser Nicht-Ort. Schmucklose Schwarz-Weiß-Bilder, mit denen Tim Ellrich das Haus der Eltern durchleuchtet, muten daher an wie Röntgenbilder abgestorbener Seelen.

Form und Inhalt des Films umzirkeln so eine hermetische Agonie, eine Kommunikationsarmut, in welche die Protagonisten offenbar hineingeboren worden sind. Formal ist diese Chronik einer dysfunktionalen Familie durchaus ansehnlich. Da der Film aber durchweg eine Tonlage beibehält, stellt sich leider auch eine gewisse Ermüdung ein, die man von ähnlichen deutschen Filmen kennt.

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