Kritik zu Gondola
Ohne ein einziges Wort erzählt Veit Helmer eine poetisch-märchenhafte Liebesgeschichte, die sich nahezu auf nur zwei Seilbahngondeln beschränkt.
Eine Hommage an den Zauber des Kinos
Eine Geschichte über knapp eineinhalb Stunden ausschließlich über Gesten, Blicke, Musik und eine betörende Landschaft zu erzählen und sich dabei auf zwei Gondeln einer altertümlichen Seilbahn und deren unmittelbares Umfeld zu beschränken, zeugt von einer unglaublichen Liebe und den Glauben an die Kraft und die Magie des Kinos. Mit »Gondola« fabuliert der deutsche Filmemacher und Autor Veit Helmer genau solch eine Geschichte voller poetischer Komik und märchenhafter Fantasie – und ohne ein einziges gesprochenes Wort.
Die junge Iva (Mathilde Irrmann) kehrt nach dem Tod ihres Vaters in ein kleines Dorf in einem Tal der georgischen Berge zurück und übernimmt auch gleich seinen Job als Schaffner der Seilbahn. Von den Dorfbewohnern wird sie mit Argwohn, gar Ablehnung bedacht, zumindest anfänglich. Ihre Kollegin ist die ebenfalls junge Nino (Nino Soselia), die von einer Karriere als Stewardess bei der staatlichen Airline träumt. Und dann ist da noch ihr etwas dümmlich-machohafter Chef (Zuka Papuashvili), der sich um beide Frauen eher ungelenk und vor allem erfolglos bemüht. Der Alltag ist eintönig, die Fahrgäste mit Ausnahme einiger Dorfbewohner eher rar. Es ist eine Umgebung, die dazu einlädt, sich in die Ferne zu träumen, der Ödnis mit Leidenschaft und Albernheiten zu entkommen.
Alle halbe Stunde kreuzen sich die Gondeln der beiden adrett in Uniformen gekleideten Frauen. Sie wechseln verstohlene Blicke, kleine Gesten, Neckereien, beginnen eine Schachpartie an der Bergstation, die sie im Abstand der Gondelfahrten fortsetzen, bis der eifersüchtige Chef das Spiel zerstört. Daraufhin verwandeln sie ihre Gondeln in mal mehr oder weniger reale Flugobjekte, mit denen sie sich an andere Orte dieser Welt träumen. Oder sie liefern sich Wasserschlachten, tauschen Früchte aus, bis sie sich zu einem romantischen Abend in einer der Gondeln treffen, beäugt von dem Chef, unterstützt und gefeiert von den Dorfbewohnern.
Helmer nutzt den begrenzten Raum der Gondeln, um die ganze Welt zu erobern, mit poetischen Bildern vor majestätischer Landschaft, in denen die Kabinen mal winzig klein zwischen den Wolken tanzen, mal grell von der Sonne mit all ihrem morbiden Charme angestrahlt werden (Kamera: Goga Devdariani). Ihm gelingt es, diese kleine und an sich einfache Geschichte mit leiser Komik sanft voranzutreiben. So eintönig und täglich wiederkehrend die Spulen anlaufen und wieder stoppen, so treiben sie Iva und Nino in ihren fantasievollen Einfällen immer weiter voran. Die Vernunft und jegliche Logik werden dabei oftmals einfach ausgesetzt.
»Gondola« ist damit auch eine Hommage an den frühen Stummfilm Georges Méliès', an Charlie Chaplin und natürlich an den Slapstick. Dabei ist das Spiel von Nino Soselia und Mathilde Irrmann derart nuanciert, dass eine Szene niemals ins Überdrehte abdriftet – mit einem großartigen und ebenso betörenden Score von Malcolm Arison und Sóley Stefánsdóttir.
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