Kritik zu Girl You Know It's True
Simon Verhoeven verfilmt einen der peinlichsten Skandale der Popgeschichte, der rasante Auf- und Abstieg der Band Milli Vanilli, die mit den Stimmen von anderen zu Ruhm kam
Drei Nummer-eins-Hits machten Milli Vanilli Ende der 1980er zur erfolgreichsten deutschen Band in den USA. Weltweit vergötterten Fans das schwarze Discopop-Duo, das sich so gar nicht anhörte wie made in Germany. Frontmann Robert Pilatus verlor dabei die Bodenhaftung. »Ich bin der neue Elvis«, erklärte er im Interview. Kurz darauf kam heraus, dass er und sein Partner Fabrice Morvan nur die Lippen bewegten zu Musik, zu der sie keine einzige Note beigesteuert hatten.
Es war einer der peinlichsten Skandale der Pophistorie. Die Geschichte zweier Himmelsstürmer, die buchstäblich im falschen Film lebten, rief förmlich nach der großen Leinwand. Wie aber soll man diesen Pop-Fake verfilmen? Es ist wohl kein Zufall, dass einige Projekte wieder fallen gelassen wurden. Denn Biopics über Stars aus dem Pop-Olymp wie etwa »Bohemian Rhapsody« oder »Rocketman« funktionieren vor allem über die Empathie mit dem mehr oder weniger schweren Schicksal der Helden im Zentrum.
Dagegen schien die (tragische) Geschichte der beiden Blender von Milli Vanilli bislang nur ein Thema für abwertende Kommentare der Yellow Press zu sein. Nach Oliver Schwehms sehenswerter TV-Dokumentation »Milli Vanilli: From Fame to Shame« (2016) ergreift Simon Verhoeven in seinem Hochglanz-Biopic daher die Flucht nach vorne: Gleich zu Anfang durchbrechen die beiden Fake-Sänger die vierte Wand. Ihre Ansprache an den Zuschauer ist eine Beichte, die zugleich als erzählerische Klammer dient. Anfangs wirkt das etwas ungelenk. Doch Tijan Njie und der französische Darsteller Elan Ben Ali, die in die Rollen von Pilatus und Morvan schlüpfen, punkten als schlitzohrige Sympathieträger. Mit einer Mischung aus Archivaufnahmen und ansehnlichen Konzert-Szenen werden die 1980er Jahre wieder lebendig.
Simon Verhoeven, der auch das Buch verfasste, stellt die Usancen des Pop-Business, das mit dem Siegeszug von MTV schwerpunktmäßig auf das Aussehen neuer Bands setzt, etwas im Stile eines Erklärvideos dar. Trotzdem bleibt man dran an diesem komödiantisch gebrochenen Film. Durchaus humorvoll ist der Blick hinter die Kulissen, wo die unbekannten Studiomusiker Ray Horton und Brad Howell in Rossbach bei Frankfurt den Welthit »Girl You Know it's True« einspielten. Der Film würdigt auch die Hip-Hop-Band Numarx, deren Mitglieder im Fernsehen mitverfolgen müssen, wie eine Coverversion des von ihnen komponierten Lieds die Charts stürmte.
Knackpunkt des Biopics ist die Darstellung jener Schlüsselfigur im Hintergrund, die das Projekt Milli Vanilli entworfen hatte: Frank Farian. Die Musik des Sound-Tüftlers, dem schon mit Boney M. Welthits gelangen, war nicht zufällig erfolgreich. Farian hat ein Ohr für schwarze Musik – doch dieses Gespür vermittelt sich in diesem Film kaum. Matthias Schweighöfer verkörpert Farian als hysterischen Clown. Das eigentliche Thema jener Musik, die ja ein Millionenpublikum verzauberte, wird nur ansatzweise ausgereizt.
Kommentare
Wer schreibt sowas?
Der Film ist toll, dies hat auch gerade erst eine nicht sehr unprominente Jury festgestellt. Da sollte die Autorin nochmal ins Kino gehen!
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