Kritik zu Furiosa: A Mad Max Saga

© Warner Bros. Pictures

2024
Original-Titel: 
Furiosa: A Mad Max Saga
Filmstart in Deutschland: 
23.05.2024
L: 
148 Min
FSK: 
16

In der Fortsetzung seines Erfolgsfilms von 2015 bringt George Miller einmal mehr Bewegung und ­Bewegtbild zur Verschmelzung. Erzählt wird die »origin story« der weiblichen Hauptfigur

Bewertung: 4
Leserbewertung
4
4 (Stimmen: 1)

Wie die Zivilisation zusammenbrach? Das weiß keiner mehr. Bereits im zweiten Teil der »Mad Max«-Saga erinnert sich ein Off-Erzähler nur noch vage daran, dass die Politiker sich zusammensetzten »und redeten und redeten«. Der Australier George Miller erzählt von einer postzivilisatorischen Welt, bevölkert nur noch von Bikern, die wie motorisierte Nomaden umherziehen.

Nach dreißig Jahren Pause überraschte Miller 2015 mit einer Fortsetzung, die seine »Mad Max«-Saga zur surrealen Stilübung überhöhte. Die fünfte Folge knüpft als Prequel nahtlos an. Furiosa wird nun gespielt von Anya Taylor-Joy, die die Rolle von Charlize Theron übernahm. Zu Beginn pflückt sie in einem biblisch anmutenden Paradies einen hoch hängenden Apfel. Prompt wird sie entführt. Marodierende Anhänger einer kriegerischen Motorradsippe haben sich in die Enklave verirrt. Furiosas wehrhafte Mutter (Charlee Fraser), ausgestattet mit einem Präzisionszielfernrohr, jagt ihnen nach.

Bereits der Auftakt, eine atemlose Verfolgungsjagd durch eine Wüste – die allenfalls bei David Lean so effektvoll fotografiert wurde –, ist ein Statement. Wie kaum ein anderer Regisseur denkt der fast 80-jährige Australier visuell. Er hat verstanden, was eine Location ist. Und er hat verstanden, dass bewegte Bilder vor allem eins ausdrücken: Bewegung. Actionszenen sind für ihn keine Zutat. Sie sind choreographiert – und zwar nach einer komplexen Grammatik. Einer verschachtelten Syntax aus Mensch und Maschine, Crashs und Metall.

Entsprechend ist jede Verfolgungsjagd durchstrukturiert wie ein Bandwurmsatz aus Marcel Prousts »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«. Surfen in der Wüste? Hier wird es möglich. Per Gleitschirm dahinfliegende Kitesurfer schwirren durchs Bild. Miller lässt entfesselte Putten der barocken Malerei durch Bild schweben wie Todesengel.

Plot? Handlung? Geschichte? Ja, das gibt es durchaus. In diesem postapokalyptischen »Wasteland« wird ein Kampf um die verbliebenen Ressourcen ausgefochten. Die eine Seite produziert Munition, in einer Burg, deren Wassergraben durch Erdöl ersetzt wurde. Auf der anderen betreibt der aus dem vorigen Teil bekannte Immortan Joe (Lachy Hulme) eine Gebärfabrik. In einem luxuriösen Harem wie aus Tausendundeinem Nachtmahr bringen versklavte Frauen die »War Boys« zur Welt. Weiß getünchte serielle Wesen, die darauf gedrillt sind, sich auf Zuruf motorisierten Vehikeln mimetisch anzuverwandeln. Euphorisiert – und im doppelten Sinn auf »Speed« – rasen sie in den Untergang: ihre einzige Bestimmung. Todestrieb pur.

Aus diesem Irrsinn führt Furiosa einige Frauen heraus in eine Enklave weiblicher Vernunft. Das Prequel reicht nach, wie die drahtige Kämpferin zur Heldin heranwächst. Und dabei buchstäblich gestählt wird. Ihr maligner Gegenspieler, gespielt von Chris Hemsworth, ist ein negatives Spiegelbild jener Figur, die diese Serie groß machte – aber schon im vorangegangenen Teil eigentlich nur noch eine Nebenrolle spielte. Dabei verkörperte Mel Gibson zu Beginn der Saga einen einsamen Wolf, der als Mann stets »tat, was getan werden muss«. Damit ist nun Schluss, definitiv.

Furiosa muss bestehen gegen einen bauernschlauen Anti-Mad-Max namens Dementus, der nur noch niederen Instinkten folgt. Mit seinem Teddybären auf dem Rücken und seinem blutigen Brautschleier könnte er locker den Eurovison Song Contest aufmischen. Dank seines Auftritts im Marvel-Franchise »Thor« ist der muskelbepackte Australier Hemsworth ein Besetzungscoup. Der gefallene Donnergott, der wie »Ben-Hur« einen von drei Motorrädern gezogenen Streitwagen fährt, bekommt von Furiosa buchstäblich gezeigt, wo der Hammer hängt. So zerbeult wurde Männlichkeit zuletzt in Tarantinos »Death Proof«.

Nach »Mad Max: Fury Road« erhält das rollende Rockkonzert nun eine Zugabe – und was für eine. In Millers zweieinhalbstündigem Film wird Kino physisch. Heult der dunkle Bass der langhubigen Motoren auf – eine Weihestunde für den Verbrenner –, dann läuft es einem eiskalt den Rücken hinunter. »Furiosa« ist furios.

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