Kritik zu The Finest Hours
Ein Heldenlied in 3D über die amerikanische Küstenwache in den 50er Jahren: Schöne junge Männer müssen sich im Kampf gegen eine mörderische See für das Leben, die Liebe und die Zukunft beweisen
Die Fifties sind gerade wieder aktuell. »Carol«, »Brooklyn« und jetzt auch »The Finest Hours« spielen in jener Dekade, an die wir uns wiederum vor allem durch Kinobilder erinnern. »The Finest Hours« spielt in den frühen 50ern, und jene Zeit erscheint hier als geradezu düster-märchenhafte Ära. Die Historie hängt schicksalhaft in den Bildern, die einen kleinen Ort an der amerikanischen Ostküste wie einen fremden und zugleich nostalgischen Planeten beschreiben. Es gibt vage Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, der noch nicht lange zurückliegt, Ahnungen vom Kalten Krieg, von einer diffusen Bedrohung, die auf die US-Küste zurollt. Ahnungen auch vom Aufbruch in eine Zukunft, die bis heute reicht. In den Bildern stecken deshalb auch Reminiszenzen an den Film noir, an das Melo, an den Sci-Fi-Film.
Der Film beginnt als Liebesgeschichte. Der gut aussehende Bernie (Chris Pine) hat ein Rendezvous mit der Telefonistin Miriam (Holliday Grainger). Er hat sie noch nie gesehen, nur mit ihr telefoniert. Als theatralischen Moment inszeniert Craig Gillespie den Augenblick, in dem er ihr zum ersten Mal begegnet. Miriam, der Teenager mit einem Hauch von Femme fatale, eine moderne, mehr oder weniger selbstbewusste junge Frau. Dabei ist Bernie so schön und weich und anständig, dass er fast nicht zum Helden taugt. In seinem Job bei der Küstenwache muss er sich noch bewähren. Und als die resolute Miriam gar um seine Hand anhält, wirkt er wie ein verstörter, unentschlossener Junge, der seinen Platz in der Geschichte und der community noch finden muss.
Als der große Sturm heraufzieht und die riesigen Schiffe vor der Küste zu Spielbällen des Schicksals macht, wird Bernie mit einer kleinen Mannschaft hinausgeschickt in ein dunkles, tosendes Chaos, um Schiffbrüchige zu retten. Ein Himmelfahrtskommando, als Actionoper inszeniert. Die grimmige Naturgewalt, die einen Tanker in Fetzen reißt und die Crew terrorisiert, als sei sie ein Supermonster, wird hauptsächlich durch ein wahrlich höllisches Sounddesign dargestellt. Ganz nach dem Geschmack der Produktionsfirma Disney fließt kaum Blut in dieser maritimen Apokalypse, die Verletzlichkeit der männlichen Körper wird nur angedeutet.
An Bord eines schwer havarierten Tankers kämpft ein anderer schöner junger Mann gegen den drohenden Untergang an: der Ingenieur Raymond Sybert, von Casey Affleck ein wenig gespielt wie ein besessener Aldrich-Held. Der aberwitzige Rettungstrip von Bernie zu seinem geborstenen Tanker ist dann reine Fantasie: als würden die Retter in ihrem kleinen Boot einen bizarren Wellenritt unternehmen. Man hat zwar das Gefühl, dass Craig Gillespie einen schrägen, besonderen Disney-Film machen wollte, doch bei der langen Rettungsaktion geht ihm förmlich die Luft aus. Die großen Gesten und die bombastische Musik kämpfen verzweifelt gegen eine gewisse Leere an. Die Figuren erscheinen als schemenhafte Heldenprojektionen zwischen gestern und heute.
Wie hätte wohl ein Film über diesen Stoff aus den frühen 50ern selbst ausgesehen? Es wäre wahrscheinlich ein kleiner Film geworden von André De Toth oder Joseph M. Newman. Die jungen Männer wären genauso jung gewesen, aber sie hätten reifer gewirkt, bodenständiger, tougher, heldenhafter.
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