Kritik zu Eine ganz heiße Nummer
In Friendship! ließ Markus Goller erfolgreich einen Ossi in die USA reisen, nun wendet er sich Bayern zu
Das bayerische Idiom hat der Herrgott den Humoristen geschenkt. »Mögen hätt’ ich schon wollen, aber dürfen hab’ ich mich nicht getraut«, hat der Sprachakrobat Karl Valentin in die Welt gesetzt. Im Schuh des Manitu polterte Michael »Bully« Herbig als bayernder Apachenhäuptling: »Jetzt homma uns wieda verritten, du Oasch . . . « Die vollkommene Komik entfalten die Sätze nur mit rollendem R: Form und Inhalt sind hier nicht voneinander zu trennen.
Markus Gollers Komödie Eine ganz heisse Nummer vertraut zum einen auf die originäre Kraft bajuwarischer Komik. Zum anderen lebt sein Film von deftigen Kontrasten. In Marienzell, tief drinnen im erzkatholischen Bayerischen Wald, geht es wirtschaftlich bergab, nachdem die Glashütte hat schließen müsmüssen. Im Kleinen trifft es auch Waltraud (Gisela Schneeberger), Maria (Bettina Mittendorfer) und Lena (Rosalie Thomass). Ihr Lebensmittelladen schwächelt, gegen den Aldi in der nächsten Stadt haben sie keine Chance.
Was tun? Maria bringt ein obszöner Telefonanruf auf eine Geschäftsidee. Warum nicht eine »ganz heiße Nummer« anbieten, vulgo: Telefonsex hausgemacht? Maßgeschneiderte Liebesgrüße aus der Heimat preisen sie nach einigem Hin und Her an: »Bayerisch, rustikal, direkt – von Maja, Sarah und Lolita«.
Regisseur Goller (Friendship!) und Drehbuchautorin Andrea Sixt begeben sich hinter die Oberfläche einer liebevoll ausgemalten dörflichen Welt. Die Fassade lügt. Ueli Steigers Kamera bildet die Idylle ab und entlarvt zugleich deren illusionäre Züge. Nichts ist so überschaubar und gemütlich wie es scheint. Das gemächliche Tempo des Films ist ebenso satirisches Stilmittel wie die harmlos dahinplätschernde Musik.
Auf dem Personenkarussell in Eine ganz heisse Nummer sitzen archetypische Originale, alte Grantler und »triebige« Greise. Selbst der Pfarrer (Sigi Zimmerschied) ist nicht über jeden Zweifel erhaben, und sein Hund schon gar nicht. Der trockene Humor der drei Damen von der Stöhnstelle bewahrt die Komödie vor platter Peinlichkeit. Selbst zu allem bereite Frauen kommen an ihre Grenzen. »Ich lass mich doch nicht anpieseln – und wenn’s der Richard Gere wär«, sagt Waltraud. Sie ist übrigens für die Domina- Rolle zuständig.
Doch der Film will weiter. Es gilt Murphys Gesetz (»Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen«). Im Intrigendschungel der Bürgermeistersgattin (Monika Gruber) drohen Waltraud & Co. sich zu verlieren. Doch sie wachsen als Persönlichkeiten. Hierin liegt der wahre Triumph der Komödie, sie lässt ihren Figuren Luft zum Atmen.
Giesela Schneeberger findet als Waltraud wunderbar leise Töne. Bettina Mittendorfers Augen erzählen eine ganz traurige Geschichte. Rosalie Thomass ist außen voll Sexbombe und innen ganz keusch. Sie alle haben zu kämpfen in und mit Marienzell – aber so gar keine Lust, sich vom Schicksal verdreschen zu lassen. Denn sie wissen: Mir san mir.
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