Kritik zu Ein Dorf zieht blank

© Concorde Filmverleih

Philippe Le Guay (»Moliére auf dem Fahrrad«) porträtiert ein normannisches Dorf und will auf die prekäre Situation der Landwirte aufmerksam machen

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In Komödien, etwa »Calendar Girls« oder »Ganz oder gar nicht«, wird gerne blank gezogen. Dabei geht es vorrangig um Provokation, um Aufmerksamkeit für ein Anliegen. Und es sind in diesen Filmen gerade keine perfekt geformten Menschen, die für ihre Sache werben, sondern gesetzte Leute, für die eine Entblößung nachvollziehbar ein psychischer Kraftakt ist, im Dienste eines Ziels, das so wichtig ist, dass sie ihre bürgerliche Rüstung und ihre Scham ablegen. Nicht umsonst heißt es etwa auch »sich nackt machen« vor dem Finanzamt. Und bei den hochverschuldeten Landwirten, die sich in dieser Komödie ausziehen, gibt es ­tat­sächlich nichts mehr zu holen.

Der Drehort Mêle-sur-Sarthe in der sattgrünen Normandie ist ebenso authentisch wie die dörflichen Statisten. Regisseur Le Guay, dessen familiäre Wurzeln in diesem »Le Perche« genannten Landstrich liegen, will mit seiner Tragikomödie auch auf die verzweifelte Situation der Züchter aufmerksam machen, die angesichts fallender Fleisch- und Milchpreise aufgeben müssen – und sich umbringen. Laut Statistik nehmen sich in Frankreich jährlich 300 Landwirte, meist durch Erhängen, das Leben.

Doch beim Versuch, auf diese stille Tragödie in komödiantischer Form hinzuweisen, gerät ihm diese gelegentlich aus dem Fokus. Zu Anfang zwingt ein Streik der aufgebrachten Landwirte den auf Motivsuche durch Frankreich fahrenden Starfotografen Norman (Toby Jones) zu einem Umweg. ­Dabei entdeckt Norman eine herrliche ­grüne Weide. Dort will er 200 nackte Bewohner ablichten. Bürgermeister Balbuzard (François Cluzet) wittert in dem Kunstprojekt eine Chance für die strukturschwache Gegend und versucht die Dörfler zum Mitmachen zu bewegen.

In einer Verkettung von Episoden kommen in diesem Prozess nicht nur alte Geheimnisse und Konflikte zutage; auch Aspekte wie Landflucht und Öko-Hysterien werden eingeflochten. Es ist kein Zufall, dass der Film in einer Zeit anläuft, in der in Frankreich Veganer Metzgereien verwüsten. Stets präsent sind auch die Vergangenheit und die ambivalente Haltung gegenüber den Amerikanern, die im Zweiten Weltkrieg als Befreier und zugleich als Zerstörer des Dorfes auftraten. Eine – unglaubwürdige – Außenperspektive wird durch eine Pariser Aussteigerfamilie geschaffen. Im weiten Themenbogen, den Le Guay spannt, spiegelt er sich selbst in dieser Familie, so wie auch Balbuzards Antichambrieren bei den Dörflern auf die Dreharbeiten selbst verweist. Fiktion und Realität verschwimmen in ­diesen Episoden, in denen eine wunderbare Laiendarstellerin eine blonde Dorfvenus mimt und ein (von einem Profi gespielter) Apotheker so musterhaft intrigant wie in »Madame Bovary« auftritt. Doch auch François Cluzet, der als Kümmerer Balbuzard an seine »Landarzt von Chaussy«-Rolle anknüpft, kann nicht verhindern, dass die Aufregungen am Ende in asterixhaft-burleske Harmlosigkeit münden. Zwar sind die nackten Bauern auf der Wiese ein erhabener Anblick, eine Erinnerung an das verlorene Paradies. Doch ob das den Menschen von Mêle-sur-Sarthe weiterhilft?

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