Kritik zu Die Temperatur des Willens

© eksystent distribution

2017
Original-Titel: 
Die Temperatur des Willens
Filmstart in Deutschland: 
07.06.2018
L: 
99 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Der Münchner Filmemacher Peter Baranowski besucht den konversativ-­katholischen Orden der »Legionäre Christi«, in dem sein Bruder Martin Priester ist

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Dass jeder unbedingt für etwas brennen muss, gilt heute als motivations-psychologische Binsenweisheit. Auch die Menschen in diesem Film führen (daher auch der Titel) die Feuermetapher oft und gern im Mund. Doch sie brennen nicht etwa für den 1. FC Köln, sondern für Jesus Christus. Und sie versuchen im Rahmen einer großen Organisation auch andere für ihre Leidenschaft zu gewinnen.

Wir sind bei den »Legionären Christi«, einer 1941 in Mexiko gegründeten katholischen Kongregation päpstlichen Rechts, die heute weltweit verbreitet ist und für ein konservatives Christentum »neuevangelisiert«, wie es ein Pater nennt. Ein Kreuz oder ein Christusbild hängt im Ordenshaus an fast jeder Wand, die männlichen Mitglieder tragen Soutanen. Einer dieser geweihten Priester ist der Bruder des Filmemachers Peter Baranowski, der als Jugendlicher selbst dem Orden nahestand, sich dann aber löste. Irgendwann hatte er genügend Distanz für den neugierigen Blick von außen auf die nun fremd gewordene Welt gewonnen. Und über den Bruder auch die Möglichkeit, dieser Neugierde ausführlich nachzugehen.

Das Ergebnis ist dieser Film, der die Legionäre und die mit ihnen verbundene Laienbewegung des sogenannten Regnum Christi bei einigen ihrer missionarischen Aktivitäten begleitet und dabei neben dem umtriebigen Pater Klaus und Bruder Martin Baranowski vor allem der Jugendarbeit des Ordens Aufmerksamkeit schenkt. Dort werden den Jungen sogenannte »Get strong«-Freizeiten angeboten, den Mädchen »Looking good inside and out«. Und natürlich lodern nicht bei jeder Predigt die inneren jugendlichen Flammen. Doch die Organisatoren sind professionell genug, die Kids ­zwischen Gebet und Andacht auch mit kitschig inszenierten, actionorientierten ­Gemeinschaftserlebnissen zu ködern, bei denen getobt, performed und getanzt werden darf und soll. Was die verbal als Lernziel propagierte »Selbstermächtigung« allerdings im katholischen Kontext konkret bedeuten soll, bleibt wie vieles andere im Film offen.

Die Oberen des Ordens reiben sich an medialer Kritik am christlichen Fundamentalismus. Auch die in vielen Gemeinden florierende liberale »Wir sind Kirche«-Bewegung macht ihnen zu schaffen. Am schwersten aber wiegt der Zwang, sich mit den Missbrauchsvergehen des Ordensgründers Marcial Maciel (und anderer Priester) auseinanderzusetzen, die sukzessive seit 2005 ans Licht kamen und von den Patern nun unter dem Schlagwort »Gründerkrise« in bekannter Manier dessen »problematischer Persönlichkeit« zugeschrieben werden.

Baranowski setzt Infos hierzu als Texttafeln in den sonst kommentarlosen Film und fügt danach ein mit pompöser Musik unterlegtes (und nicht als solches ausgewiesenes) Propagandavideo des Ordens von einer ­Audienz Maciels bei Papst Johannes Paul II. ein. Der Filmemacher berichtet, er habe völlige Freiheit beim Drehen gehabt. Deshalb ist es im Gesamtgefüge schade, dass für das Verstehen der Organisation aufschluss­reiche Szenen wie etwa eine ­Beratung über die öffentliche Selbstdarstellung oder ein Gespräch über Umgang mit Kritik doch eher knapp geraten sind, während ritualisierte Abläufe wie Gottesdienste so viel Zeit bekommen, dass es fast affir­mativ wirkt.

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