Kritik zu Die Reise zum Mittelpunkt der Erde

© Warner Bros. Pictures

Brendan Fraser, unser Mann vor dem Blue Screen, gibt in der Neuverfilmung des Jules-Verne-Romans wieder einmal einen Wissenschaftler, dessen Theorien den Praxistest bestehen müssen. Jahrmarktskino in 3D für größere Kinder

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Hollywood arbeitet in immer kürzeren Zyklen seine eigene Vergangenheit auf. Seit ein paar Jahren werden ganze Generationen von Horror- und Science-Fiction-Klassikern systematisch für ein neues Zielpublikum aufbereitet. Insofern war auch eine Neuauflage von Jules Vernes »Die Reise zum Mittelpunkt der Erde« wohl nur eine Frage der Zeit. Natürlich muss eine Verne-Verfilmung heute mehr bieten als einen singenden Pat Boone mit freiem Oberkörper, wie noch zu Zeiten von Henry Levins Klassiker aus dem Jahr 1959. Und da sich die Fortschritte im Bereich der Computeranimation derzeit im Tempo des Moore'schen Gesetzes zu vollziehen scheinen, bot sich eine 3D-Version geradezu an. Regie-Debütant Eric Brevig ist in Hollywoods Special-Effect-Industrie kein unbeschriebenes Blatt; er arbeitete an Filmen wie »The Abyss«, »Men in Black«, »Pearl Harbor« und »The Day After Tomorrow«. Kurzum: Das Konzept für »Die Reise zum Mittelpunkt der Erde« war so vorhersehbar, als wäre es am Reißbrett entstanden.

Leider wirkt Brevigs Verne-Fantasy für die »Zathura«-Generation genauso uninspiriert. Brendan Fraser, der seine halbe Schauspielkarriere in Blue- Screen-Räumen verbracht haben muss, ist da die adäquate Wahl für die Hauptrolle des verwirrten Wissenschaftlers, der sich zusammen mit seinem Neffen in Island auf die Suche nach dem verschollenen Bruder macht. Menschliche Interaktion spielt in »Die Reise zum Mittelpunkt der Erde« nur eine untergeordnete Rolle.

3D erlebte in den fünfziger Jahren eine kurze Blütephase – ein Versuch Hollywoods, die Konkurrenz des Fernsehens auf Distanz zu halten. Seitdem hat es sporadisch immer wieder Wiederbelebungsversuche gegeben, vor allem im Horror-Genre – und dann meist, um erfolglosen Franchises neuen Aufschwung zu geben (»Der Weisse Hai«, »Amityville Horror«). Angesichts eines Films wie »Die Reise zum Mittelpunkt der Erde« kommt man jedoch heute nicht umhin, sich zu wundern, wie wenig Neues sich Hollywood in den letzten fünfzig Jahren hat einfallen lassen. Natürlich befindet sich das 3D-Kino inzwischen auf einem technischen Stand, von dem ein André de Toth nur träumen konnte. Aber hat man die Brille abgenommen, offenbart »Die Reise« ein Bild des Jammers: Das Drehbuch ist nicht mehr als eine Assemblage aus Tricksequenzen (wobei die Jagd durch einen Minenschacht seit den Zeiten von Todd-AO zum festen Repertoir des »Jahrmarktskinos« gehört), die Dialoge sind hölzern und die Ausstattung hat Sci-Fi-Channel-Niveau. Von einem fantasievollen Umgang mit den Möglichkeiten der digitalen Animation kann nicht die Rede sein.

Natürlich ist 3D von Beginn an als Gimmick konzipiert worden, doch Hollywood hat über die Jahre auch die Gelegenheit verpasst, mit dieser Technik etwas Ernsthaftes anzufangen. Wenn überhaupt, betont ein Film wie »Die Reise zum Mittelpunkt der Erde« allenfalls deren Infantilität. Seit Jahren verkündet Hollywood nun schon den Anbruch einer neuen digitalen Ära, in der alles möglich sein wird. Den Beweis ist man allerdings bislang schuldig geblieben.

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